Kannst Du mir schlagkräftige Argumente für die Existenz Gottes liefern?

Lieber Bernd,

zunächst einmal: Dein Entschluss, es mit der Heiligen Schrift doch noch einmal zu versuchen, freut mich sehr. Ich wünsche Dir, dass Deine Lektüre zu einem echten Zwiegespräch wird!

Und nun: schlagkräftige Argumente für die Existenz Gottes, einfach und praktisch.

Du bist vielleicht treu! Wenn es so einfach wäre! Argumente kann ich Dir liefern, aber schlagkräftig sind sie sicher nicht, denn auf dem Feld des Glaubens gibt es keine harten Fakten, die zum Glauben zwingen. Das gilt auch für die klassischen Gottesbeweise. Sie sind bestenfalls Gottes-Erweise.

Das Problem liegt nämlich darin, dass das Erkennen kein rein intellektueller Vorgang ist, sondern auch vom Willen abhängig ist. D.h. wenn ich etwas nicht erkennen will, können die Argumente noch so gut sein, sie werden keinen Erkenntniszuwachs bringen.

Ob aber die Bereitschaft zu erkennen vorhanden ist, das hängt von der Voreinstellung ab, und die wiederum ist das Ergebnis zahlreicher Faktoren, in der Regel persönlicher Erfahrungen, die der Betreffende hochgerechnet hat.

Wer z.B. einmal einen Priester erlebt hat, der seine Erwartungen enttäuscht hat, der neigt dazu, die ganze Kirche abzulehnen.

Vernünftig ist das nicht, aber welch geringe Rolle spielt bei uns Menschen schon die Vernunft! Sonst gäbe es ja z.B. keine Raucher, denn ist Rauchen vielleicht vernünftig? Da fällt mir gerade noch ein anderes Beispiel ein:

Kürzlich erzählte mir ein Bekannter, der sich den Fuß gebrochen hatte, der Orthopäde habe ihn vor die Wahl gestellt: 6 Wochen Gips oder 6 Wochen VacoPed-Stiefel. Dabei wies er darauf hin, dass der Stiefel zwar angenehmer ist, weil abnehmbar, aber auch erheblich mehr Disziplin erfordere. Denn er soll Tag und Nacht getragen werden, sonst kann sich der gebrochene Knochen nicht erholen. Mein Bekannter entschied sich für den Stiefel mit der Bemerkung, er sei vernünftig und werde die Vorschriften einhalten. Darauf meinte der Orthopäde, ein guter Menschenkenner: Vernünftige Menschen - gibt es die?

Aber zurück zum Thema.

In Deiner Antwort auf meinen 2. Brief hattest Du Deinen Versuch erwähnt, mit einem Mitschüler über den Glauben an den Dreifaltigen Gott zu sprechen. Das Gespräch endete sehr schnell, weil er der Ansicht war, es sei ja noch nicht einmal sicher, ob Gott existiere, geschweige denn ein dreifaltiger Gott.

Dein Versuch verdient ein echtes Kompliment! Es hat zwar noch nicht so richtig geklappt, aber lass Dich nicht entmutigen! Ich will Dir gerne helfen, wenn Du Deine Verantwortung als Firmling wahrnehmen möchtest.

Doch nun endgültig zu den Argumente. Vier fallen mir ein, vielleicht ist ja ein brauchbares dabei. Und da Dein Gesprächspartner sich auf die Naturwissenschaften beruft, beginne ich mal damit. Pardon, ich muss doch noch eine Bemerkung vorausschicken:

Die Galilei-Katastrophe hat die Kirche gelehrt, sich nicht in die Naturwissenschaften einzumischen.

Leider haben noch nicht alle Naturwissenschaftler gelernt, sich nicht in die Religion einzumischen. Ein Naturwissenschaftler kann sich privat entscheiden, nicht an Gott zu glauben. Aber er hat nicht das Recht zu behaupten, die Naturwissenschaft beweise, dass es keinen Gott gibt. Damit überschreitet er seine Kompetenz.

ARGUMENT Nr. 1: Je fachkundiger, umso bescheidener

Ich will keinem Naturwissenschaftler, Biologie-, Physik- oder Chemielehrer zu nahe treten, aber mir scheint, dass die Bereitschaft, die Existenz eines Schöpfers anzuerkennen, mit der wissenschaftlichen Kompetenz wächst. Oder, um es weniger kompliziert auszudrücken, Bedeutende Naturwissenschaftler erkennen in der Regel an, dass es ein höheres Wesen gibt, weil sie einen so tiefen Einblick in die Zusammenhänge der Natur gewonnen haben. So sagt z.B. Werner Heisenberg (1901 - 1976), deutscher Physiker und Nobelpreisträger:

Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.

Im Anhang 1 findest Du übrigens weitere Zitate von Naturwissenschaftlern, und ich denke, wenn bei Deinem Mitschüler nur ein Minimum an Bereitschaft vorhanden ist, sich auf das Thema einzulassen, müssten ihn diese Zitate eigentlich nachdenklich stimmen.

ARGUMENT Nr. 2: Der Mensch als Störenfried

Vielleicht überzeugt ihn auch das Argument von der Harmonie der Schöpfung. Ich meine damit, dass in der Natur alles perfekt aufeinander abgestimmt ist und reibungslos funktioniert, solange - ja solange der Mensch nicht eingreift.

Ein Musterbeispiel für den Größenwahn des Menschen und sein Herumtrampeln auf der Natur ist der Versuch der Sowjets, die Fließrichtung der sibirischen Flüsse umzukehren, ein Wahnsinnsunternehmen, das glücklicherweise in den Anfängen stecken geblieben ist. Im Anhang 2 habe ich es ausführlich geschildert, hier reicht der Platz nicht. Ich widme diesem Thema einen eigenen Text, weil das Projekt so bezeichnend und repräsentativ ist für einen unvernünftigen Glauben an Wissenschaft und Technik.

Aber auch bei uns hat man die Flüsse in sehr unbedachter Weise reguliert und in langweilige kanalähnliche Wasserläufe umgewandelt. Dabei hat man nicht bedacht, welche ökologischen Folgen das haben könnte. Inzwischen sind wir klüger geworden und haben begriffen, dass wir auf diese Weise nicht nur die Fauna und Flora von Fluss-Auen vernichtet haben, sondern auch für die Überschwemmungen von Städten und Dörfern verantwortlich sind. Und jetzt heißt das Zauberwort Renaturierung. Theologisch ausgedrückt: Rückkehr zur Weisheit des Schöpfers.

Denn die feine Abstimmung in der Natur weist auf einen genialen Schöpfer hin. Er hat z.B. auch an die Entsorgung gedacht. Hast Du Dir schon einmal überlegt, dass tagtäglich viele Tiere sterben, auch in der Stadt, z.B. Vögel? Wo bleiben eigentlich all die Tierleichen? In der Stadt werden sie manchmal auch vom Menschen beseitigt, aber wer beseitigt sie im Wald? Und doch liegen dort keine toten Tiere herum. Warum? Ich glaube nicht, dass der Förster dafür zuständig ist. Aber es gibt eben Tiere, die nichts anderes tun, als die Leichen zu entsorgen. Deshalb ist es z.B. äußerst ungerecht, dass die Schakale bei uns eine so schlechte Presse haben. Da waren die alten Ägypter gerechter: Sie haben ihren Gott Anubis mit einem Schakalkopf dargestellt.

Also: Oft genug verhält sich der Mensch bei Eingriffen in die Natur wie ein Elefant im Porzellanladen. Diesen wunderbaren Porzellanladen aber hat der Schöpfer eingerichtet.

ARGUMENT Nr. 3: Mahatma Gandhi war auch kein Dummkopf.

Ich denke, man kann davon ausgehen, dass Deine Mitschüler das Lebenswerk von Mahatma Gandhi in groben Zügen kennen - die Befreiung Indiens von der britischen Kolonialherrschaft, und zwar durch AHIMSA - Gewaltlosigkeit. Was ihnen aber vielleicht nicht so bewusst ist, ist die Tatsache, dass Gandhi aus einem tiefen Glauben handelte. Dabei war er ganz Hindu, näherte sich aber mit großer Freiheit auch dem Christentum und hat die Bergpredigt Jesu (Mt 5-7) als Höhepunkt der religiösen Literatur bezeichnet.

Sicher kennen Deine Mitschüler auch das Lebenswerk von Martin Luther King - die gewaltlose Erstreitung von Bürgerrechten für die Schwarzen in den USA. Wissen sie auch, dass er Pfarrer einer Baptistengemeinde war, und sein Werk sich nur aus diesen religiösen Wurzeln erklären lässt?

Du kannst ja mal auf Spurensuche gehen und weitere Persönlichkeiten ausfindig machen, die aus religiöser Motivation die Welt verändert haben. Ein Beispiel aus Deutschland ist die gewaltlose Revolution in der DDR 1989 - sie war nachweislich eine Frucht der Bergpredigt. Wieso? Pfarrer Führer, den wir, Deine Tante und ich, nach der Wende aufgesucht haben, war einer der entscheidenden Köpfe bei der Wende, und zwar durch die Einrichtung der Montagsgebete. Er erzählte uns: Die Parole der Demonstranten, die in ständig wachsender Zahl (am Schluss waren es 500.000) über die Straßen Leipzigs zogen, war: Keine Gewalt! Sie handelten auch danach und zündeten auf den Stufen des Stasi-Hauptgebäudes an der Runden Ecke Kerzen an, statt es zu erstürmen, wie die verängstigten Genossen bei ausgeschaltetem Licht erwarteten.

Nach Pfarrer Führer war der Ruf Keine Gewalt! die Kurzfassung der Seligpreisungen der Bergpredigt, die in jedem Montagsgebet verlesen wurden. Denn die dritte Seligpreisung lautet: Selig, die keine Gewalt anwenden! (Mt 5,5) Und die Friedensgottesdienste am Montag waren die Urzelle der Demonstrationen.

Bisweilen kommt am Fernsehen der Firm Nicolaikirche - er ist wirklich sehr empfehlenswert, die spannungsreiche, beklemmende Atmosphäre der letzten Tage der DDR wird da hautnah spürbar. Pfarrer Führer hat uns bestätigt, dass der Film die Ereignisse authentisch wiedergibt. Er hat im Film übrigens den Namen Ohlbaum.

Mahatma Gandhi, Martin Luther King und die Pfarrer von Leipzig waren keine Dummköpfe. Aber sie glaubten an Gott, und ihr Zeugnis für den Glauben hat die Welt verändert. Es ist also keineswegs dumm, an Gott zu glauben, sondern für die Welt höchst nützlich.

ARGUMENT Nr. 4: Dein Smartphone als Gottesbeweis

Neulich haben Deine Tante und ich das Technik-Museum in Speyer besucht. Wenn Du mal in die Gegend kommst - das Technik-Museum darfst Du Dir nicht entgehen lassen! Aber bitte Zeit mitbringen - da ist eine Menge zu sehen.

Auf dem Führerstand einer 26 m langen Dampflok zu stehen, ist schon für sich ein kleines Erlebnis. Aber besonders hat mich die Abteilung Weltraum interessiert. Da steht z.B. ein sowjetisches Mini-Raumschiff, das unbemannt in die Atmosphäre geschossen wurde, um zu testen, ob der Schutzschild die Hitze aushalten würde. Das Ding sah arg ramponiert aus, die Spuren zeugten von der ungeheuren Belastung, der das Material ausgesetzt war, aber es hat geholfen, eine für den Menschen sichere Ummantelung zu entwickeln.

Ein kleiner Glimmerstein vom Mond ist dort auch zu sehen - und wenn man den Film über das Andocken von Raumschiffen an die Raumstation sieht, begreift man, welch gewaltige Leistung die Raumfahrt ist. Denn nach Tausenden von Kilometern muss das Shuttle millimetergenau an die Raumstation herangeführt und angeschlossen werden, bevor die Türen geöffnet werden können.

Und doch ist das alles "sekundär". Was ich damit meine? Ohne die wirklich imponierenden Leistungen der Wissenschaft und ihrer Anwendung in der Technik herabsetzen zu wollen, muss doch gesagt werden, dass die Tätigkeit der Naturwissenschaftler letztlich "nur" darin besteht, die Geheimnisse zu entschlüsseln, welche der Schöpfer in die Natur hineingelegt hat. Denn Naturwissenschaftler sind Forscher, und ein wesentliches Element der Forschung ist das Entdecken.

Kennst Du die Geschichte der Röntgenstrahlen? Sie ist ein phantastisches Beispiel für unser Thema. Am 8. November 1895 entdeckte der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen Strahlen, die Wände durchdringen können. Es war eine Zufallsentdeckung. Röntgen wollte eigentlich die Fluoreszenz des Lichtes näher untersuchen und hatte dafür eine für Kathodenstrahlen bestimmte Röhre mit Pappe umwickelt. Es ging ihm also um die Strahlen innerhalb der Röhre. Aber plötzlich sah er, dass ein Bildschirm, der für einen anderen Versuch vorgesehen war und auf dem Tisch lag, fluoreszierte. Die Ursache konnten nur die Strahlen in der Röhre sein, die offenbar die Pappe durchdrangen.

Diese Strahlen waren unsichtbar, mussten aber so etwas wie Licht sein. Wo Licht ist, muss auch Schatten sein, dachte er, und hielt die Hand zwischen Röhre und Bildschirm. Da erblickte er als erster aller Menschen das Skelett seiner Hand und - erstarrte. Ihm wurde schwindelig, er fragte sich, ob er einer Sinnestäuschung erliege. Aber "dann streckte er seine Hand wieder aus, und erneut, diesmal länger als nur einen Augenblick, zeigt ihm das geisterhafte Bild die dunklen Knochen seiner Hand, von den Wurzeln bis zu den Fingerspitzen. Um sie herum bilden Fleisch und Haut einen dünnen, grauen Schleier." (1) Noch wusste er nicht, was für Strahlen er entdeckt hatte, deshalb nannte er sie X-Strahlen. Am 22. Dezember weihte er seine Frau Bertha ein. Er zeigte ihr die Knochen ihrer Hand.

Nach zahlreichen und gründlichen weiteren Versuchen wagte Röntgen sich Anfang Januar an die Öffentlichkeit. Zwei Tage später wusste es die ganze Welt: Im physikalischen Institut der Universität Würzburg hat ein Wissenschaftler namens Röntgen Strahlen entdeckt, deren Verwendbarkeit noch gar nicht abzusehen war.

Dem gläubigen Menschen aber zeigt die Entdeckung Wilhelm Conrad Röntgens:

Forschen bedeutet, die Geheimnisse zu entdecken, die der Schöpfer in die Natur gelegt hat.

Und die Technik? Sie ist die geniale Zusammensetzung und Neuordnung der Bausteine, die der Schöpfer zur Verfügung gestellt hat. Technik ist ein hochintelligentes Spiel, ein wenig dem Zusammenbauen von Lego-Steinen vergleichbar. Das machen die Techniker genial, aber sie könnten es nicht, wenn die Bauelemente nicht schon bereit lägen. Und die Bauelemente der Natur sind wesentlich zahlreicher und komplizierter als Lego-Steine, deshalb kann man auch viel mehr aus ihnen machen. Die Bauelemente sind also primär, Naturwissenschaften und Technik dagegen sekundär.

Inzwischen gibt es eine eigene Wissenschaft, die sich darauf spezialisiert hat, die Intelligenz der Natur für die Technik zu nutzen, die Bionik. Das bekannteste Beispiel ist der Klett-Verschluss. Wie der Name sagt, ist er der Klette abgeschaut.

Amerikanische Forscher experimentieren mit einem neuartigen Pflaster ohne Klebstoff, Vorbild ist der Kratzwurm, ein Fischparasit.

Für Solarzellen nehmen die Techniker das Auge einer Motte zum Vorbild.

Neuartige Profile für Autoreifen schauen sie den Katzenpfoten ab.

Und weißt Du, welchem Tier der Hubschrauber nachgebaut ist? Der Libelle.

Und wieso ist Dein Smartphone ein Gottesbeweis? Das Material der Leiterplatte stammt vom Schöpfer, und die Komprimierung der Bauelemente macht uns die DNS-Spirale vor.

So, nun bin ich gespannt, ob meine Argumente vor Deinem strengen Urteil Bestand haben. Solltest Du eines davon in einem Gespräch mit Gleichaltrigen verwenden, wäre ich Dir für ein kurzes feedback über deren Reaktion dankbar.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

 

Quellen

(1) Hans Leicht, Wilhelm Conrad Röntgen, Ehrenwirth Verlag 1994, S. 73f. Der Autor beschreibt in spannender und allgemeinverständlicher Weise das Leben des großen Physikers.

Zurück an den Briefanfang