Der Hl. Geist in der Eucharistiefeier

Lieber Bernd,

kommen wir gleich zur Sache: Unanschaulicher Firmritus.

Es ist gut, dass Du so ehrlich bist. Und es geht sicher nicht nur Dir so. Ich vermute z.B., dass viele praktizierende Christen mit dem Pfingstfest wenig anfangen können. Die Jahreszeit verlockt zu Ausflügen, und so prägt nicht der Festinhalt den Tag, sondern der Ausflug in Grüne.

Deine Anfrage möchte ich auf die kurze Formel bringen: Wo kann man dem Hl. Geist begegnen?

Da fällt mir zunächst das Bild vom Wind bzw. Sturm ein. Im Pfingstsaal hören die Apostel ja das Gebrause eines Sturmes. Es ist ein großartiges Bild, denn überleg mal: Kann man den Sturm sehen? Nein, er ist unsichtbar. Da ist die Luft in Aufruhr, aber Luft kann man nicht sehen. Was man aber sieht, das sind die Wirkungen des Sturmes: Er biegt selbst starke Bäume, morsche Zweige und Äste stürzen auf die Straße, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, fliegt durch die Luft.

So ist es auch mit dem Heiligen Geist. Man kann ihn nicht sehen, wohl aber seine Wirkungen.

Über eine haben wir schon gesprochen: die Schriftlesung. Irgendwann kommt der Augenblick: Ein Text, der einem schon lange vertraut war, erscheint uns plötzlich in einem ganz neuen Licht.

Aber gibt es noch andere Wirkungen? Ganz spontan fallen mir folgende ein:

  • in der Eucharistiefeier
  • in der Gemeinschaft der Kirche
  • in den Neuen Gemeinschaften
  • in bestimmten Krankenhäusern (!)

Beginnen wir mit der Eucharistiefeier. Damit kann ich auch gleich auf Deine Frage nach dem Wesen der hl. Messe eingehen.

Das erste Mal ist in der hl. Messe vom Geist die Rede bei der Begrüßung. Der Priester sagt: Der Herr sei mit euch. Und wir antworten: Und mit deinem Geiste.

Warum sagen wir nicht einfach: Und auch mit dir? Diese Vereinfachung ist vorgeschlagen worden, aber die Kirche hält an der anderen Form fest.

Ist es nur eine Frage der Übersetzung nach dem Motto: Im Lateinischen (Et cum spiritu tuo) steht nun mal das Wort spiritus - Geist, oder bedeutet es mehr? Die Liturgiewissenschaft sagt: Ja, es bedeutet mehr.

Der Grund liegt in der Priesterweihe. Denn in dieser Weihehandlung ruft der Bischof auf den Priesteramtskandidaten den Hl. Geist herab, damit er ihn für sein verantwortungsvolles Amt stärkt.

Wenn wir also sagen: Und mit deinem Geiste!, dann meinen wir nicht den Esprit des Priesters. Vielmehr können wir diesen Wunsch so übersetzen:

Der Hl. Geist, der Dir bei der Priesterweihe verliehen wurde, sei jetzt mit Dir,
wenn Du die heilige Handlung vollziehst!

An diesem Gruß wird schon deutlich, dass dem Heiligen Geist bei der Eucharistiefeier eine ganz bedeutende Rolle zukommt. Was jetzt geschieht, ist nicht Menschenwerk.

Die Eucharistiefeier steht nicht in unserer Macht, sondern wir müssen darum beten, dass die heilige Handlung sich unter uns vollziehen möge. Auch der Priester kann sie nicht aus eigener Kraft vollziehen, sondern nur aus der Kraft des Sakramentes, das er empfangen hat.

Noch deutlicher wird das bei der Epiklese. Das ist das Gebet unmittelbar vor den Wandlungsworten. Es lautet:

Ja. du bist heilig, großer Gott, du bist der Quell aller Heiligkeit.
Darum bitten wir dich: Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.

Ich liebe dieses Gebet ganz besonders und fände es schön, wenn die Messdiener nicht nach, sondern bereits vor diesem Gebet schellen würden. Denn in diesen wenigen Worten liegt ein ungeheurer Schatz verborgen: Der Priester bittet den Vater, den Heiligen Geist zu senden, damit die Gaben von Brot und Wein Leib und Blut Jesu Christi werden. Das ist die trinitarische Dimension der Eucharistiefeier!

Wir sind hier Welten entfernt von jener Auffassung, welche die hl. Messe nach dem Unterhaltungswert bemisst. Die Bemühungen der Liturgiekreise sind hilfreich, wenn sie die trinitarische Dimension im Auge behalten, aber sie führen in die falsche Richtung, wenn sie sich zum Ziel setzen, möglichst viele Leute in die Kirche zu locken. Bei dieser Fehlform von Vorbereitung wird so lange „gestaltet“, bis der Gottesdienst „attraktiv“ ist.

Was sich die Gestaltenden nicht klar machen, ist, dass das Fernsehen die Ausrichtung von Events tausendmal besser beherrscht. Nein, es geht nicht um Attraktivität, sondern um eine heilige Handlung, die wir nicht „machen“ können.

Es ist nun überhaupt nicht möglich, den Reichtum der Eucharistiefeier in Kürze zu erklären, noch dazu dem Angehörigen einer anderen Religion. Trotzdem will ich einen Versuch machen, aber er muss notwendigerweise absolut unvollständig sein.

Folgende Begriffe scheinen mir etwas Wesentliches über die hl. Messe auszusagen:

  • begegnen
  • schenken
  • gedenken und danken
begegnen

Jesus Christus begegnet uns

  • im Wortgottesdienst (Evangelium)
  • und in der Eucharistiefeier (im engeren Sinn)

Frag mal Achmed, ob der Prophet Muhammad lebt - jetzt, zu unserer Zeit. Er wird sagen - jedenfalls hat ein theologisch gut informierter Muslim es mir so gesagt: Nein, Muhammad ist in Medina begraben. Aber er wird am Jüngsten Tag auferweckt und beim Endgericht eine entscheidende Rolle spielen.

Dies ist der alles entscheidende Unterschied. Christus liegt nicht im Grab, er ist nicht tot, er ist bereits auferweckt und lebt. Nur so kann jede Eucharistiefeier eine Begegnung sein - eine Begegnung zwischen Dir und dem auferstandenen Herrn. Im Evangelium spricht er zu Dir, und in der Kommunion kommt er in der Gestalt des eucharistischen Brotes zu Dir.

schenken
  • Wir schenken Gott Brot und Wein.
  • Christus schenkt sich uns in Brot und Wein.
  1. Wir schenken Gott Brot und Wein.
    Das geschieht in der Gabenbereitung.
    Es ist allerdings ein etwas seltsames Geschenk, das wir da machen. Dieses Geschenk haben wir nämlich vorher selber geschenkt bekommen. Denn das Brot kommt vom Getreide und der Wein von den Reben, und der geheimnisvolle Vorgang des Wachsens von Getreide und Reben steht nicht in unserer Macht. Was wir hinzutun, genau genommen nicht wir, sondern der Bauer, der Müller und der Bäcker und beim Wein der Winzer, das ist die Pflege und Zubereitung. Insofern steckt schon ein Beitrag des Menschen darin. Aber die Hauptsache, das Wachsen, das liegt in der Hand des Schöpfers.
    So weit ich weiß, jobbst Du zur Zeit nicht, sondern bekommst Taschengeld von Deinen Eltern. Wenn Du Deinen Eltern nun zu Weihnachten ein Geschenk kaufst, dann bezahlst Du es mit dem Taschengeld, das Du von ihnen bekommen hast. So ist das auch mit unserem Geschenk an Gott in der hl. Messe.

  2. Gott schenkt sich uns.
    Was geschieht aber nun mit unseren Gaben? Brot und Wein werden zu Leib und Blut Jesu Christi - nicht chemisch, und doch real. Jesus Christus hat es so gewollt: Im Abendmahlssaal hat er gesagt: Tut dies zu meinem Gedächtnis!
    Wenn man nun die beiden Geschenke miteinander vergleicht, so muss man sagen: sie sind sehr ungleich. Was sind Brot und Wein gegen das Kommen des Herrn!
    Aber das stimmt nicht ganz. Wenn wir mit Brot und Wein uns selber Gott darbringen, d.h. ihm unsere Bereitschaft sagen, ihm zu folgen und nach seinen Geboten zu handeln, dann empfindet Gott das als ein großes Geschenk. Darauf wartet er, wie jeder Liebende darauf wartet, dass seine Liebe beantwortet wird.
gedenken und danken

Jesus hat gesagt: Tut dies zu meinem Gedächtnis! In der Eucharistiefeier gedenken wir des Todes und der Auferstehung Jesu.

Was bedeutet „gedenken“? Es ist wesentlich mehr als „denken an“.

Wenn ich ein Foto aus alten Zeiten betrachte, dann denke ich an bestimmte Erlebnisse, z.B. an eine Reise, aber die Reise ist vergangen und lässt sich nicht mehr zurückholen.

Allerdings können Erinnerungen eine Intensität erreichen, die Glück oder Schrecken der Vergangenheit wieder aufleben lassen. Wenn ich es ganz persönlich formulieren darf:

Du weißt, dass mein Ur-Erlebnis die Provence ist. Wenn ich im Hochsommer eine Kiefer sehe, und wenn sich der rote Stamm gegen den knallblauen Himmel abhebt, und wenn dann noch die Sonnenhitze stundenlang auf der Kiefer gelastet hat und von diesem wunderbaren Baum ein betörender Duft ausgeht, dann fühle ich mich fast wie in der Provence.

Und doch ist diese Erinnerung nur ein blasses Abbild dessen, was in der hl. Messe geschieht.

Denn da verbinden wir uns mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen, und der Gekreuzigte und Auferstandene ermöglicht es uns, die Zeit zu überspringen. Er versetzt uns in die Lage seiner Jünger, nimmt uns mit in den Abendmahlssaal, unter das Kreuz und an das leere Grab. Und wenn wir uns mitnehmen lassen, dann empfangen wir seine ganze Liebe, im Bild gesprochen: dann hüllt er uns ein in seine Liebe, die uns Geborgenheit schenkt in allen Wechselfällen unseres Lebens. Und das nennt man Erlösung.

Und weil Christus uns diese Chance gibt, deshalb heißt diese Feier Eucharistie = Dank.

Manchmal wird etwas deutlicher, indem man sagt, was es nicht ist.

  • Eucharistiefeier ist keine TV-Show.
    In der TV-Show lässt man sich berieseln, der Zweck ist Unterhaltung. Eine personale Begegnung findet nicht statt.
  • In dieser einen Hinsicht könnte man eine Eucharistiefeier schon eher mit einem Rockkonzert vergleichen, denn da gehen die Leute mit, singen, jubeln, und es kommt zu einer Art Begegnung zwischen Musikern und Fans.
    Aber der Unterschied zu einem Rockkonzert ist offensichtlich: Der Superstar kann den Hunderten von Fans zwar zuwinken, er kann einigen wenigen die Hände schütteln und Autogramme geben, aber er kann nicht mit jedem Einzelnen Kontakt aufnehmen. Genau das aber geschieht in der hl. Messe: Jesus Christus kann das. Er kommt zu einem jeden von uns ganz persönlich.
  • Die hl. Messe ist keine Theateraufführung. Das gilt in vielerlei Hinsicht. Ich beschränke mich auf einen einzigen Aspekt. Besuchst Du schon mal Theateraufführungen? Nehmen wir also mal an, dass eine Inszenierung gut gelungen ist, die Schauspieler sind überzeugend, und das Stück hat eine gewichtige Aussage. Trotzdem wird man das Stück in der Regel nur einmal, wenn es ganz außerordentlich gut ist, vielleicht zwei- oder dreimal besuchen. Das war es dann aber auch.
    Wir besuchen aber die hl. Messe in der Regel 52 mal im Jahr, und nicht wenige Gläubige besuchen sie auch an Werktagen, dann sind es weit über 52 mal. Selbst bei einer Broadway-Inszenierung, die jahrelang läuft, würde sich das wohl kaum jemand antun. Warum eigentlich nicht? Weil Theateraufführungen Menschenwerk sind, sie haben kein Geheimnis. Eine hl. Messe aber ist mehr als Menschenwerk, ja das Menschenwerk ist dabei absolut zweitrangig, denn hier handelt Gott selbst in Jesus Christus.
  • Nun gibt es aber eine besondere Art von Theateraufführungen, in denen die Passion Jesu nachgespielt wird. Sind diese Passionsspiele vielleicht mit der hl. Messe vergleichbar? z.B. die Passionsspiele von Oberammergau? Sie sind ein Weltereignis: Im Jahr 2000 kamen 520.000 Zuschauer.
    Und sie sind äußerst beeindruckend. aber eine hl. Messe können sie nicht ersetzen. Wo liegt der Unterschied?
    • Sie erinnern an die Geschehnisse, aber die Geschehnisse sind nicht real. Wenn in Oberammergau das Letzte Abendmahl nachgestellt wird, so werden Brot und Wein nicht gewandelt. Kein Mensch würde sich nachher vor diesen Gaben hinknien, so wie es der Priester nach der Wandlung tut.
    • Der Priester ist kein Schauspieler, er vertritt nicht Christus, denn dann wäre Christus nicht gegenwärtig. Stattdessen ist es seine Aufgabe, die unsichtbare Gegenwart Jesu Christi sichtbar zu machen.
      Deshalb gilt das Paradox:
      Nur ein Priester kann die Wandlung vollziehen - weil Christus selbst ihn in der Priesterweihe dazu beauftragt hat.
      Kein Priester kann die Wandlung vollziehen, denn das kann nur der Heilige Geist.

Und damit schließt sich der Kreis, denn wir sind ja ausgegangen von der Epiklese, dem Gebet vor der Wandlung, in dem der Priester den Heiligen Geist bittet, unsere Gaben zu wandeln.

Pardon, heute beanspruche ich Deine Geduld sehr. Darf ich noch einen letzten Gedanken hinzufügen?

Er ist mir besonders teuer, darum möchte ich ihn nicht unerwähnt lassen. Es ist der Gedanke von der dreifachen Wandlung.

Ja, wenn wir die hl. Messe richtig mitfeiern (würden), dann müsste sie sich vollziehen, diese dreifache Wandlung.

Die erste ist natürlich die Wandlung von Brot und Wein, die der Heilige Geist durch den Priester vollzieht.

Die zweite Wandlung geschieht, wenn wir uns durch den Empfang der Eucharistie wandeln lassen. Denn das ist ja der Sinn des heiligen Geschehens am Altar:

Christus will im eucharistischen Brot zu uns kommen, damit wir christusförmig werden. Der hl. Augustinus hat es so ausgedrückt: Wir sind das Brot, das Feuer des Hl. Geistes backt uns zum Brot. Die zweite Wandlung ist gleichbedeutend mit Umkehr, d.h. Abkehr vom bisherigen Leben und Hinkehr zu Christus.

Und die dritte? An dem Tag, an dem wir die Eucharistie mitgefeiert haben, und an den folgenden Tagen werden wir zahlreichen Menschen begegnen. Wenn wir uns in der Eucharistiefeier wenigstens ein bisschen haben wandeln lassen, wird sich das auf diese Begegnungen auswirken. Im besten Fall kann eine wandelnde Wirkung von uns ausgehen. Das wäre dann die dritte Wandlung: die Wandlung unserer Umgebung.

Nun wirst Du sagen: O je, da geht einem ja die Luft aus. Das ist ja zum Schwindelig-Werden. Ja, ist es auch. Aber es ist Realität. Überleg mal: Kennst Du nicht Menschen, die ihren Glauben überzeugend leben? Und geht von diesen Menschen nicht etwas aus? Im säkularen Bereich spricht man von Aura oder Ausstrahlung. Im religiösen spricht man von Spiritualität. Das kommt von lateinisch spiritus, Geist. Denn diese Ausstrahlung ist eine der Wirkungen des Hl. Geistes. Und sie kann ihren Anfang nehmen in der Eucharistiefeier.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

P.S.:
Ich habe Dir in diesem Brief sehr viel zugemutet. Wenn Du trotzdem nach einigem Abstand Lust verspüren solltest, Dich noch intensiver mit dem Sinn der Eucharistiefeier zu befassen, könntest Du den Familienkurs Erstkommunion aufrufen. In den Einführungen für die Eltern habe ich versucht, die wichtigsten Aspekte der Messtheologie zu beschreiben: www.familienkurs-erstkommunion.de.

Eine Kurzfassung davon findest Du aber schon im Anhang 1. Ich habe da versucht, den Text eines Gotteslob-Liedes zu erklären. Es ist ein Lied zur Gabenbereitung, und der Text ist nach meiner Meinung genial: In einfachsten Worten enthält er die gesamte Messtheologie!

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