Der Hl. Geist in bestimmten Krankenhäusern

Lieber Bernd,

dass ich als Berliner Dir Deine Heimatstadt ein bisschen näher bringen konnte, freut mich außerordentlich. Aber nun lass uns gleich zum Thema kommen:

Der Hl. Geist in bestimmten Krankenhäusern.

Ist Dir schon einmal aufgefallen, dass nicht wenige Krankenhäuser den Namen des Hl. Geistes tragen?

Wikipedia nennt für Deutschland allein 56. Dabei sind nicht alle erfasst, wie ich feststellen konnte. Kannst ja mal in der Suchmaschine Heilig-Geist-Spital eingeben.

Diese Krankenhäuser sind im Mittelalter entstanden. und es scheint, wie ich Stichproben entnehme, dass fast alle bis heute noch arbeiten.

Bisweilen sind sie auch zu Zentren für die Altenpflege geworden wie z.B. in Hamburg, wo das Hospital zum Heiligen Geist mit den angeschlossenen Häusern 1000 Betreuungsplätze anbietet. Darunter fallen Heim- und Kurzzeitpflege, betreutes Wohnen sowie Angebote für Demenz-Kranke.

In Köln scheint es kein Heilig-Geist-Spital zu geben, was mich eigentlich wundert. In Eurer weiteren Umgebung kenne ich aber zufällig ein großes, modernes Krankenhaus mit dem Namen Stiftung Hospital zum Heiligen Geist in dem wunderschönen Städtchen Kempen bei Krefeld.

Ist es nicht seltsam? Von allen Glaubenswahrheiten scheint der Glaube an den Hl. Geist die unanschaulichste zu sein. Wie kommt es dann, dass die Menschen im Mittelalter so etwas Konkretes wie das Krankenhaus nach dem Hl. Geist benannt haben?

Antwort: Damals wusste man noch etwas von dem Trost, den der Hl. Geist spendet.

Um das zu begreifen, muss man wissen, dass man im Mittelalter unter Krankenhaus etwas anderes verstand als heute. Damals war es nämlich die Regel, dass die Kranken zu Hause gepflegt wurden. Die Hospitäler nahmen nur Menschen auf, die keinen Familienanschluss hatten oder arm und mittellos waren. Versicherungen und Renten gab es ja noch nicht.

Die hl. Elisabeth war zwar nicht die erste, aber doch die einflussreichste Gründerin solcher Häuser. Wenn man sich die Gründungsdaten der mittelalterlichen Krankenhäuser anschaut, sieht man, dass bald nach ihrem Tod die Zahl der entsprechenden Einrichtungen signifikant in die Höhe schnellte.

Der Charakter des mittelalterlichen Krankenhauses spiegelt sich in der Bezeichnung Hospital.

Du hast Latein zwar abgewählt, aber vielleicht reichen Deine Kenntnisse doch noch hin, um die Ableitung von hospes, hospitis nachzuvollziehen. Und was heißt hospes auf deutsch? Richtig: der Gast.

Das Hospital ist also ursprünglich ein Gast-Haus. Die Gäste - das sind die Ärmsten der Armen, und der Gastgeber, das sind die frommen Frauen, die in diesen Einrichtungen ehrenamtlich Dienst taten, und letztlich der Heilige Geist, der die Menschen dazu inspirierte.

Die französische Bezeichnung Hôtel Dieu - Gasthaus Gottes - macht diesen Zusammenhang unmissverständlich deutlich. Ebenso die Tatsache, dass in vielen mittelalterlichen Bischofsstädten neben der Kathedrale auch ein Hospital errichtet wurde. Du kannst es heute noch in Paris studieren: Das Hôpital Hôtel Dieu liegt in unmittelbarer Nähe von Notre Dame. Es wurde im Jahre 651 gegründet und nimmt heute auf der Île de la Cité eine Fläche von rund drei Hektar ein!

Einen komplett erhaltenen mittelalterlichen Krankensaal kann man übrigens ebenfalls in Frankreich besuchen: das Hôtel Dieu in Beaune (Burgund). Es ist wirklich äußerst besuchenswert, dort wird einem der Geist, aus dem diese Häuser geführt wurden, optisch eindrucksvoll vor Augen geführt.

Heute hat das Wort "Hospiz" noch einen zusätzlichen Sinn bekommen: Häuser, in denen Sterbende liebevoll betreut werden.

Du merkst schon: Die Geschichte des Krankenhauses fasziniert mich. Was ich daran so großartig finde, ist die Tatsache, dass es wirklich eine genuin christliche Erfindung ist. In der griechisch-römischen Antike gab es nichts Vergleichbares.

Manchmal wird die Heilstätte des Asklepios-Tempels in Epidauros als Vorläufer genannt. Der Wikipedia-Artikel schreibt dazu:

Gegen Abend legten sich die Kranken in den dafür vorgesehenen Räumen auf die Liegen (griech. kline; daher stammt der Begriff Klinik) nieder. Die Tempeldiener löschten das Licht und ermahnten alle zur Ruhe.

Viele Kranke fanden dort tatsächlich Heilung.

Es ist aber auch offensichtlich, dass die Heilstätte von Epidauros kein Krankenhaus im mittelalterlichen Sinne war, denn weder war sie den Armen vorbehalten - der Heilsuchende wurde erst nach Entrichtung einer Geldspende in den Schlafsaal eingelassen - , noch wurde dort jemand gepflegt.

Schon eher vergleichbar sind die römischen Valetudinarien, allerdings ist auch hier der Unterschied nicht zu übersehen. Denn die Valetudinarien waren militärische Einrichtungen, Lazarette für die römischen Legionäre.

Daneben gab es Sklaven-Valetudinarien, die von Großgrundbesitzern eingerichtet wurden. Deren Motivation war aber nicht die christliche caritas, sondern das Bestreben, die Arbeitskraft ihrer teuer bezahlten Sklaven zu erhalten. (Wikipedia: Geschichte des Krankenhauses). Und die Pfleger waren nicht freiwillige Idealisten, sondern abgeordnete Sklaven.

Folgen wir dem Wikipedia-Artikel weiter:

Mit der Gründung (um 370) einer großen Krankenanstalt (genannt Basileias) durch Basileios den Großen in der Nähe von Caesarea (heute Kayseri, Mittelanatolien) begann die christliche Hospitalgeschichte… (Die Hospitäler waren Häuser,) in denen Reisende, Arme, Alte und Kranke entsprechend dem christlichen Gebot der Barmherzigkeit und Nächstenliebe Unterkunft und Pflege fanden,…wobei die genannte Anstalt wahrscheinlich die erste war, die zur medizinischen Versorgung ausgebildete Ärzte bereithielt…Zahlreiche Hospize oder Hospitäler entstanden speziell für Pilger. Sie wurden von der Kirche oder von Mönchen entlang der Pilgerwege und an den Zielorten der Pilger im östlichen Mittelmeerraum und in Nordafrika erbaut.

Am großartigsten aber finde ich, was im Jahre 1120 in Jerusalem geschah:

Damals wurde ein Orden gegründet, dessen Mitglieder sich speziell der Pflege von Aussätzigen widmeten. Sie nannten sich Lazarus-Orden.

Kannst Du ermessen, was das bedeutet? Freiwillig Kranke zu pflegen, deren Pflege im Falle einer Ansteckung den unweigerlichen Tod bedeutete, und zwar nach einem jahrelangen, qualvollen Sterben? Muss ich Dir schildern, was Lepra ist? Wie sie Gesicht, Hände und Füße grausam entstellt und systematisch zerstört, wie Gliedmaßen gefühllos werden und schließlich regelrecht verfaulen? Wie Menschen wahnsinnig werden, wenn die Krankheit auf das Gehirn übergreift?

Erst seit etwa 60 Jahren kann man die Lepra stoppen, erst seit 1982 gibt es Kombinationstherapien, die wirklich effektiv sind. Bis dahin war diese Krankheit unheilbar, und es blieb nichts anderes übrig, als die Betroffenen von den Gesunden zu isolieren. So kam die Trennung von den Familien und der Abbruch aller sozialen Kontakte zu den körperlichen Leiden hinzu - das Wort "Aussatz" kommt von "Ausgesetzt-Sein".

Und nun frage ich Dich: Was trieb die Männer des Lazarus-Ordens, was trieb einen Damian de Veuster (ruf den Namen mal im Internet auf, seine Biographie ist spannend!) und was treibt heute den Lazarus-Orden - denn den gibt es noch immer! - und die Schwestern von Mutter Teresa in Indien und die vielen anderen Männer und Frauen, die sich der Pflege dieser Ärmsten der Armen widmen? Ich bin gewiss, dass es der Heilige Geist ist, der Geist der selbstlosen Liebe.

Nun kannst Du einwenden: Es gibt doch auch viele Menschen, z.B. Krankenschwestern, die gar nicht religiös sind, und dennoch all ihre Kraft in den Dienst der Kranken und Armen stellen. Ja, Dank sei Gott, dass es sie gibt. In ihnen wirkt das göttliche Urprinzip der Liebe, ob sie es nun wissen oder nicht. Und das sind die eigentlichen Wunder.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

Zurück an den Briefanfang