Unmittelbar vor der Firmung

Lieber Bernd,

am nächsten Sonntag wirst Du gefirmt. Ich kann es nun doch nicht lassen, mich noch einmal zu melden.

Wir haben mancherlei miteinander ausgetauscht, Du hast mich herausgefordert, ich habe zu antworten versucht, nicht Weniges habe ich auch von Dir gelernt. Aber ich frage mich, ob die vielen Worte vielleicht das Wesentliche verstellt haben.

Deshalb möchte ich heute versuchen, dieses Wesentliche so kurz wie möglich zusammenzufassen. Und diese kurze Zusammenfassung lautet:

Firmung ist Begegnung mit dem dreifaltigen Gott.

Im Johannesevangelium, das ich, wie Du weißt, besonders liebe, sagt Jesus am Abend vor seinem Tod zu seinen Jüngern:

Ich lasse euch nicht verwaist zurück, ich komme wieder zu euch… Der Paraklet (Tröster), den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich zu euch gesagt habe. (Joh 14,18.26)

Ich lasse euch nicht verwaist zurück:
Versuchen wir doch einmal, uns in die Stimmung zu versetzen, in der sich die Jünger am Abend vor der Kreuzigung Jesu befanden. Es war wohl eine Mischung von Verwirrung und Angst. Drei Jahre lang waren sie Jesus gefolgt in der Hoffnung, er sei der Messias und würde das Ende allen Unheils bringen: Krankheit, Verfolgung, Krieg, Armut und Elend, Einsamkeit, Hunger, Unterdrückung und Unfreiheit sollten ein Ende haben.

Jetzt aber zeichnete sich der Zusammenbruch all ihrer Hoffnungen ab. Was genau passieren würde, war ihnen noch verborgen, aber alle Zeichen deuteten auf eine Katastrophe hin. Denn Jesus hatte gesagt: Einer von euch wird mich verraten, aber er hatte keinerlei Anstalten gemacht, den Verrat zu verhindern. Ja, er hatte Judas sogar aufgefordert: Was du tun willst, tue bald! Und als Judas den Raum verlassen hatte, sagte Jesus: Ich bin nur noch kurze Zeit bei euch… Aber ich lasse euch nicht verwaist zurück. Jetzt war alles klar: Jesu Tod stand unmittelbar bevor.

Lähmende Angst muss die Jünger befallen haben, aus mehreren Gründen:

  • weil der sie verlassen wollte, ohne den sie orientierungslos waren;
  • weil alle eben geschilderten Hoffnungen zunichte waren;
  • weil sie befürchten mussten, gemeinsam mit Jesus verhaftet zu werden. Und in dem Fall stand ihnen ein grauenhafter Foltertod bevor.

Ich stelle mir vor, dass sie von diesem Augenblick an wie betäubt waren und das Versprechen Jesu Ich lasse euch nicht verwaist zurück nur wie durch einen Nebel wahrgenommen haben. Was sollte das auch heißen in dieser Situation, wo doch alles verloren war? Darüber nachzudenken war gar keine Zeit, denn in der Folge überschlugen sich die Ereignisse.

Wir haben den Jüngern gegenüber einen Vorteil: Wir wissen, wie alles ausgegangen ist. Wir wissen, was Jesus mit seinem rätselhaften Wort gemeint hat, dass es sich in der Auferstehung und am ersten Pfingstfest erfüllt hat, an dem die Jünger alle Angst hinter sich ließen. Die Gefahr, verhaftet und umgebracht zu werden wie Jesus, bestand nach wie vor. Aber seltsamerweise kümmerte sie das nicht mehr. Sie gingen auf den Tempelplatz und verkündigten, dass Jesus auferstanden war. Sie wurden tatsächlich verhaftet, aber erstaunlicherweise wieder freigelassen unter der Auflage, nicht mehr von Jesus zu sprechen. Noch am selben Tag taten sie es aber doch. Was war mit ihnen los? Ganz offensichtlich waren sie von einem neuen Geist erfüllt.

Und wahrscheinlich begriffen sie erst jetzt, was Jesus bereits im Abendmahlssaal vorausgesagt hatte, was sie damals aber nur wie durch einen Nebel wahrgenommen hatten:

Ich komme wieder zu euch… Der Paraklet, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich zu euch gesagt habe.

Der Paraklet - wörtlich übersetzt der zu Hilfe Gerufene, vor allem bei Gericht, also der Rechtsanwalt - das ist der Heilige Geist. Und wenn Jesus sagt: Ich komme wieder zu euch, dann heißt das: Der Heilige Geist, das ist der Geist Jesu, das ist Jesus in einer anderen Erscheinungsweise. Man kann das nicht genug betonen, denn wir stellen uns die Heilige Dreifaltigkeit viel zu massiv vor. Was Jesus sagen wollte, war: Als Mensch muss ich euch verlassen, unsichtbar aber bin ich bei euch bis ans Ende der Welt - unsichtbar, aber real.

Aber Jesus sagt ja noch mehr: den der Vater in meinem Namen senden wird. Warum spricht Jesus hier vom Vater? Weil Gott die Liebe ist und Jesus nichts tut ohne den Vater. Und auch der Vater tut nichts ohne den Sohn. Das wird deutlich in einem Wort, das meines Erachtens zu den erstaunlichsten Worten der ganzen Heiligen Schrift gehört:

Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort halten, mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. (Joh 14,23)

Wer Jesus liebt, den wird auch der Vater lieben. Und der Vater und der Sohn werden in ihm wohnen. Aber wie soll das denn geschehen? Indem Gott uns seinen Geist mitteilt.

Wir stehen hier vor einem absoluten Glaubensgeheimnis. Und Dein muslimischer Freund würde, wenn er diese Stellen im Johannesevangelium läse, sagen: Siehst Du, hier ist es doch ganz offensichtlich, dass Eure Bibel verfälscht ist. So etwas kann der Prophet Jesus nie gesagt haben, das haben andere in späteren Jahrhunderten hinzugedichtet.

Nun, Fakt ist, dass die Handschriften die Ursprünglichkeit der Überlieferung beweisen.

Worum ging es in diesem Brief? Es ging um den Hinweis darauf, welch unbegreiflicher Vorgang die Firmung eigentlich ist. Gott will in seiner ganzen Fülle zu uns kommen. Wenn der Sohn den Vater bittet, uns den Heiligen Geist zu senden, wenn der Vater mit dem Sohn im Heiligen Geist in uns Wohnung nehmen will, dann gilt:

Firmung ist Begegnung mit dem dreifaltigen Gott.

Wenn man dann die Realität des Firmtages bedenkt, drängt sich die Frage auf: Welcher Firmling ist sich auch nur ansatzweise im Klaren darüber, welches Geschenk ihm hier der dreifaltige Gott selbst machen möchte?

Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn Du Dich in dem Augenblick, in dem der Bischof Dir die Hand auflegt, daran erinnern würdest.

Die Handauflegung ist ja eine Geste des Schutzes. Unter den Schutz Gottes begeben wir uns, wenn wir uns firmen lassen.

Und wenn Du gestattest, füge ich noch eine eigenwillige Deutung der Handauflegung hinzu:

Mich erinnert sie an das Schließen eines Stromkreises. In dem Augenblick, wo die Verbindung hergestellt wird, fließt der Strom. Allerdings: Wenn irgendetwas Isolierendes dazwischen gerät, dann kommt der Kraftfluss nicht zustande. Und so ist es auch bei der Firmung: Der dreifaltige Gott will uns seinen Geist mitteilen, und wenn wir wollen, dass sein Geist uns erreicht, dann müssen wir alles beseitigen, was sein Kommen hindert.

Genau so hat es der hl. Nikolaus von der Flüe in einem Gebet formuliert. Es steht im Gotteslob unter Nr. 9.5:

Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu Eigen dir.

Ich wünsche Dir eine tiefe Erfahrung an Deinem Pfingsttag!

Dein Onkel Peter

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