Der Hl. Geist in den Neuen Geistlichen Gemeinschaften

Lieber Bernd,

ja, wie Du siehst, kann ich nicht einmal bis zwei zählen. Aber mit Deiner Vermutung, dass mein zweites Argument sich auf die Gegenwart bezieht, liegst Du völlig richtig. Ich möchte ihm die Überschrift geben:

Glut unter der Asche.
Das Wirken des Hl. Geistes in den neuen religiösen Gemeinschaften

Im vorigen Brief hatte ich zu zeigen versucht, welchen Schwung die Ordensgründer der klassischen Orden in die Kirche ihrer Zeit gebracht haben. Auch heute gibt es Menschen, und darunter nicht wenige junge Menschen, die das Evangelium konsequent leben wollen. Zugegeben, einige der neuen Gemeinschaften sind umstritten, ich will mich hier nicht näher darauf einlassen, inwieweit die Kritik berechtigt ist, sondern mich auf Beispiele konzentrieren, die ich persönlich kenne und die nach meiner Meinung vorbildlich sind:

  • Die Gemeinschaft Sant´ Egidio entstand 1968 in Rom als Initiative italienischer Studenten. Wenn Du ihre Homepage aufrufst, findest Du als Kapitelüberschriften: Die Gemeinschaft - Gebet - Freundschaft mit den Armen - Ökumene und Dialog - Frieden - Nein zur Todesstrafe - Dream. Das ist in Kürze ihr Programm. Ich kommentiere hier nur ganz kurz drei der Stichworte.
    • Gebet
      Ich habe mal an einem Gebet der Gemeinschaft in Mönchengladbach teilgenommen und war beeindruckt von der Schlichtheit, aber auch Innigkeit der Gebete und Lieder. Darin hat die Gemeinschaft ihre spirituelle Mitte.
    • Freundschaft mit den Armen
      Eine junge Frau der Mönchengladbacher Gemeinschaft hat in unserer Schule berichtet, wie sie in einem sozialen Brennpunkt ihrer Stadt mit den Familien arbeitet - einfach klasse!
    • Frieden
      Die Mitglieder von Sant´Egidio wollen zwar nicht, dass man das so herausstellt, aber ich finde es einfach umwerfend, dass diese Gruppe es geschafft hat, aus den Impulsen des Evangeliums heraus sogar zwischen Staaten Frieden zu vermitteln. In dem Wikipedia-Artikel heißt es: "Die Gemeinschaft war als Moderatorin oder Beobachterin an zahlreichen erfolgreichen Friedensverhandlungen beteiligt, etwa für Guatemala, den Kosovo, die Elfenbeinküste, den Südsudan sowie in einem Vermittlungsversuch in Algerien. Ihr bedeutendster diplomatischer Erfolg ist die Vermittlung des Friedensvertrags für Mosambik am 4. Oktober 1992, dem Allgemeinen Friedensabkommen von Rom, das einen sechzehnjährigen Bürgerkrieg beendete; hier arbeitete sie mit der UN und zahlreichen Staaten zusammen."
      In der Homepage von Sant´Egidio heißt es dazu: "Am 4. Oktober 2013, dem Fest des Hl. Franziskus, hat Mosambik das 21. Jahr in Frieden gefeiert…In jeder Stadt und in jedem Dorf des Landes fanden Friedensmärsche statt…"
  • Du wohnst doch in Köln. Hast Du schon mal an einem Gottesdienst in Groß St. Martin teilgenommen? Am 19. April 2009 hat dort die Gemeinschaft der Schwestern und Brüder von Jerusalem ihre erste Niederlassung in Deutschland gegründet. Sie entstand nach dem 2. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) in Frankreich und lebt eine moderne Spiritualität inmitten der großen Städte. Sie haben eigene Gesänge, die zu Herzen gehen, und die Gottesdienste strahlen eine große Feierlichkeit und Ruhe aus.
  • Die Kleinen Schwestern und Brüder von Charles de Foucauld. Es lohnt sich, ihre Homepage aufzurufen. Die Biographie des Gründers ist übrigens spannend und faszinierend genau so wie die Einfachheit, in der diese Menschen leben - ebenfalls inmitten der Städte. Ich persönlich kenne die kleine Gemeinschaft von Duisburg-Marxloh, ein Gebiet, in dem vor allem Muslime wohnen.
  • Die Missionaries of Charity. Auch da habe ich ein kleines Erlebnis. Wir waren in Liverpool auf den Spuren der Beatles, es war in den 70er Jahren. Damals wirkte die Innenstadt von Liverpool wie eine Geisterstadt. Zahlreiche Häuser waren unbewohnt, Fenster und Türen mit Sperrholzplatten und Pappe vernagelt, die Fassaden verwahrlost und öde. Heute sieht es dort offenbar wieder besser aus, denn ich habe gelesen, dass Liverpool im Jahre 2008 zusammen mit Stavanger Europäische Kulturhauptstadt war. Der damalige Zustand erklärte sich aus dem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt, der zu einem enormen Rückgang der Bevölkerung führte. Inmitten dieser tristen Häuserzeilen fiel uns nun eine schmale, gepflegte Hausfassade auf, die in frischem Hellblau gestrichen war. Dem schmalen Trottoir hatte man entlang der Hausfront einen winzigen Streifen Erde abgerungen und mit Blumen bepflanzt. Neugierig näherten wir uns der Haustür, da die Schrift darauf so klein war, dass man sie von der Straße aus kaum lesen konnte. Und was stand da? Missionaries of Charity. Die Schwestern von Mutter Teresa hatten sich mitten in dieser Einöde angesiedelt, um den Menschen Hilfe und Hoffnung zu geben. Das ist typisch für sie, das tun sie in 133 Ländern des Welt.

Alle Gemeinschaften, die ich hier genannt habe, sind neuere Gründungen, also Gegenwart. Nun wirst Du vielleicht sagen: o.k., eindrucksvoll, aber wenn man die Mitglieder dieser Gemeinschaften zusammenzählt, kommt man doch auf eine sehr kleine Zahl. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und kann das Bild der Kirche kaum aufhellen.

Vorsicht! Diese Gemeinschaften strahlen aus, um sie schart sich eine wesentlich größere Zahl von Sympathisanten, im Sport würde man sagen: von Fans, die sich von ihrem Beispiel anstecken lassen. In der Wüste ermöglichen solche Oasen immerhin das Überleben.

Aber ich habe ja noch mehr im Köcher. Nehmen wir also Beispiele, die einen größeren Radius umfassen.

  • Warst Du eigentlich schon mal in Taizé? Wenn nicht, solltest Du dieses Versäumnis nachholen, bevor Du alt und grau wirst. Denn Taizé ist ja nun wirklich vor allem ein Ort für Jugendliche. Du solltest dann aber nicht auf dem Weg zur Côte d´Azur mal eben für zwei Stunden vorbeischauen, sondern Dich wirklich auf das geistliche Leben dort einlassen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem der Brüder. Damals studierte ich in Südfrankreich und war mit einer Gruppe der katholischen Jugend dorthin getrampt. Dieses Gespräch werde ich nie vergessen. Es war nämlich ausgesprochen unangenehm, oder sagen wir besser: unbequem. Der Bruder hat uns tüchtig eingeheizt mit der Frage, ob wir nun Sakro-Touristen seien oder es ernst meinten. Jedenfalls hat er damit einige Nachdenklichkeit bei uns ausgelöst.
  • Von den Weltjugendtagen brauche ich Dir nichts zu erzählen, weil Du an einem schon teilgenommen hast. Ich erinnere mich aber noch an Deine Kritik im Nachhinein, dass solche Ereignisse einem zwar den Rücken stärken, aber die Tristesse des Alltags nicht beheben können. Andererseits: Ist nicht doch mehr geblieben, als Du selber zugeben willst? Schließlich hast Du bei der Gelegenheit doch Bekanntschaften gemacht, die bleiben, Ich weiß noch, wie Du seinerzeit beeindruckt warst von den Jugendlichen aus Afrika, Lateinamerika und Asien und ihrer selbstverständlichen Art zu glauben. Gut, die Wohnorte liegen weit auseinander. Aber Entfernungen sind doch in Zeiten von Facebook und Twitter kein echtes Problem mehr, oder?
  • Um aber auf Dein Argument einzugehen: Einmaliges event, und dann kommt der Alltag…: Was hältst Du von Nightfever in Eurem Dom? Das ist doch eine ständige Einrichtung, etwas Bleibendes, das alle 4 Wochen stattfindet.

Nun kann man natürlich auch da wieder sagen: Ja, wie viel Prozent kommen denn da hin?

An dieser Stelle müssen wir aber eine grundsätzliche Überlegung anstellen:

Quantität - was ist das für ein Maßstab? War es je anders? Die Treuen waren immer eine kleine Schar. Schon Jesus sagte zu den verzagten Jüngern: Fürchte dich nicht, du kleine Herde! (Lk 12,32)

Und als die 72 Jünger ihn verließen, sagte er zu den Zwölfen, die übrig blieben: Wollt auch ihr gehen? Damals hat Petrus die Situation gerettet mit einem Wort, das wie für die heutige Situation geschaffen ist: Herr, zu wem sollen wie gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. (Joh 6,67f)

Der Brief ist nun schon wieder sehr lang geworden. Den letzten Punkt - der Heilige Geist begegnet uns in bestimmten Krankenhäusern - verschiebe ich deshalb auf den nächsten Brief. Doch möchte ich unbedingt noch einen Gedanken anfügen.

Im letzten und in diesem Kapitel ging es ja um den Nachweis, dass der Heilige Geist uns in der Kirche begegnet. Dafür gibt es noch einen Beleg, und zwar in der Eucharistiefeier. Nach dem Vaterunser betet der Priester das Friedensgebet. Es lautet:

Der Herr hat zu seinen Aposteln gesagt: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Deshalb bitten wir: Herr Jesus Christus, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden.

Ich habe es erlebt, dass dieses Gebet leicht verändert vorgetragen wurde:

Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf unseren Glauben.

Das aber ist eine Änderung, welche den Sinn total entstellt. Das Großartige an diesem Gebet ist nämlich gerade, dass es nicht heißt …auf unseren Glauben, sondern: auf den Glauben deiner Kirche. Der Unterschied ist gewaltig! Wieso? Wenn es heißt: auf den Glauben deiner Kirche, dann darf ich mich einklinken in den Glauben anderer, der stärker ist als meiner. Denn unter Kirche kann ich dreierlei verstehen: 1. das Gebäude 2. die sichtbare Kirche - Papst, Bischöfe, Priester, und alle, die einmal getauft wurden, ob sie nun praktizieren oder nicht (die sogenannten Taufscheinchristen) 3. die unsichtbare Kirche, d.h. die Gemeinschaft all derer, die wirklich mit Christus verbunden sind.

Und diese Kirche im dritten Sinn ist es, um die es in dem Gebet geht. Ihr Glaube trägt auch mich.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

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