Wie kann man den Evangelien glauben bei all den Widersprüchen?
Und wie kann eins drei sein?

Lieber Bernd,

da hast Du mir ja gleich zwei schwierige Fragen auf einmal vorgelegt!

Aber gut, ich nehme die Herausforderung an. Ich freue mich ja, dass Du solche Fragen überhaupt stellst. Die meisten Jugendlichen in Deinem Alter interessieren sich ja leider nicht dafür.

Also zunächst zur Frage: Ist die Bibel ein Märchenbuch? Was an ihr ist überhaupt historisch?

Die historische Zuverlässigkeit der Bibel wird von mehreren Seiten in Frage gestellt, ich greife mal das gängigste Argument heraus, das schon seit Lessing eine bedeutende Rolle spielt: die Widersprüche zwischen den Evangelien. Das ist übrigens auch eines der Argumente der islamischen Theologie: Nach ihrer Meinung beweisen die Widersprüche zwischen den Evangelien, dass die Bibel, jedenfalls in ihrer heutige Form, keine Offenbarung sein kann.

Musterbeispiel Ostergeschichten - kamen nun zwei Frauen zum Grab oder drei, waren es nun zwei Engel oder nur einer? Manche folgern daraus, dass die Auferstehung gar nicht geschehen sei, denn solch massive Widersprüche dürfte es doch bei der wichtigsten Stelle des Evangeliums nicht geben.

Ich weiß nun nicht, welche „Rettungsversuche“ Dein Reli-Lehrer gemacht hat. Mich hat im Studium von allen Argumenten am meisten das eine beeindruckt:

Nehmen wir als Beispiel einen Gerichtsprozess wegen Fahrerflucht. Der eine Zeuge sagt, das Fluchtauto sei grau gewesen, der andere behauptet, es sei rot gewesen. Beide geben an, sie seien sich ihrer Sache sicher. Nun kann ja nur einer Recht haben.

Würde nun ein Richter folgern, die zur Verhandlung stehende Tat sei gar nicht geschehen? Das wäre wohl ein merkwürdiger Richter. Nach diesem Schema laufen aber die Erklärungen, welche die Auferstehung als Erfindung der Urgemeinde bezeichnen.

Oder nimm die mittelalterliche Geschichtsschreibung. Da heißt es in der einen Quelle, zur Reichsversammlung seien 90 Teilnehmer gekommen, in eine anderen 120. Es geht aber um ein und dieselbe Reichsversammlung. Ist daraus zu schließen, dass sie gar nicht stattgefunden hat?

Also, ob zwei oder drei Frauen - die Tatsache der Auferstehung wird dadurch nicht berührt.

Zu Deiner zweiten Frage: Die Heilige Dreifaltigkeit

Ja, das ist das größte aller Glaubensgeheimnisse. Aber es ist auch das zentrale, ohne das der ganze christliche Glaube zusammenbricht. Natürlich hat Dein islamischer Freund einen argumentativen Vorteil (ich freue mich übrigens, dass Du ihn so bezeichnest, persönliche Freundschaften und Respekt sind das beste Mittel für die Religionen, miteinander auszukommen). Natürlich ist der islamische Monotheismus leichter zu verstehen.

Aber geht es darum, Gott zu verstehen? Frag doch mal Achmed, ob er Gott versteht. Wenn er ein guter Muslim ist, wird er sagen: Nein, kein Mensch kann Gott verstehen, dafür ist der Mensch viel zu klein und Gott viel zu groß.

Und dann leg ihm doch mal folgenden Vergleich vor. Unbescheidenerweise darf ich sagen, dass er von mir selber stammt.

Die Gottesvorstellung der Muslime möchte ich mit einem Granatapfel vergleichen. So ein Granatapfel sieht ja wunderschön und kostbar aus. Und kostbar ist dem Muslime sein Glaube an den Einen Gott.

Nun stell Dir vor, der Granatapfel wird aufgeschnitten. Da wird ein reiches Innenleben sichtbar: eine große Zahl von purpurroten Kernen. Von außen konnte man nicht vermuten, dass das Innere so prächtig aussieht.

Der Islam betrachtet den Granatapfel von außen und sagt: Es ist dem Menschen nicht erlaubt, sich Gott noch mehr zu nähern.

Jesus dagegen hat uns einen Blick in das Innere Gottes gestattet. Er konnte es, weil er der Sohn war. In großer Innigkeit hat er von seinem Vater gesprochen. Bei seiner Taufe im Jordan hörte er die Stimme des Vaters, und der Heilige Geist kam auf ihn herab. Und diesen seinen Geist hat Jesus den Jüngern versprochen, als er von ihnen Abschied nehmen musste, und er hat Wort gehalten: Er hat ihnen den Heiligen Geist am Pfingstfest gesendet. Und bei einer seiner Erscheinungen nach der Auferstehung hat er ihnen geboten, die Menschen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen.

So offenbart uns das Evangelium, dass Gott ein dreifaltiger Gott ist. Es erlaubt uns, um im Bild zu bleiben, in das Innere des kostbaren Granatapfels zu schauen.

Natürlich ist nicht zu erwarten, dass Dein Freund dieser Argumentation zustimmt, aber sie kann vielleicht plausibel machen, dass es nicht unvernünftig ist, an die Dreifaltigkeit zu glauben.

Auch wenn mein Brief jetzt noch etwas länger wird, möchte ich doch noch zwei Vergleiche anführen, die Du aber vielleicht schon aus dem Unterricht kennst.

Das erste zeigt, dass schon in unserer Welt drei eins sein kann. Du brauchst dafür nur drei Haushaltskerzen und Streichhölzer.

Zünde die drei Kerzen an und führe die Flamme von zweien an die mittlere heran, also von rechts und links.

Ist die Flamme, die nun entsteht, eine oder drei? Offensichtlich doch beides zugleich, oder?

So ist es mit der Hl. Dreifaltigkeit - drei Flammen einer Liebesglut.

Der zweite Vergleich stammt von den Kirchenvätern, also aus der frühen Zeit des Christentums.

Sie vergleichen den Vater mit der Sonne, den Sohn mit den Strahlen, die auf unsere Erde kommen und den Heiligen Geist mit der Wärme der Strahlen, welche das Leben auf unserer Erde erst möglich machen.

Mit diesem Vergleich ist auch die Frage beantwortet, die mir einmal ein Muslim stellte: Wenn Gott Mensch wurde, war der Himmel dann eine Zeitlang leer? Nun, er war natürlich nicht leer, die Sonne muss ja nicht auf die Erde fallen, um sie zu erwärmen.

Ich möchte den Brief nicht zu lang werden lassen. Einen ganz entscheidenden Aspekt würde ich aber gerne irgendwann noch einmal nachtragen.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

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