Naturwissenschaftliche Argumente für den Glauben an die Dreifaltigkeit?

Lieber Bernd,

dass Du mit einigen Argumenten zur Existenz Gottes punkten konntest, freut mich natürlich sehr, genauso aber, dass Du unseren Dialog fortsetzen möchtest.

Schade, dass wir so weit entfernt wohnen. Aber vielleicht ist es sogar gut. Jede Kommunikationsform hat ihren Charme, das Gespräch die Lebendigkeit und Spontaneität, der Brief das Abwägen und das Bleibende. "bleiben", genauer "in Christus bleiben" ist übrigens ein Lieblingswort des Evangelisten Johannes. Dahinter steckt eine ganz tiefe Wirklichkeit, die uns heute bei dem immer rasanteren Tempo verloren zu gehen droht.

Du hast allerdings wirklich ein bisschen viel in Deinen Brief hineingepackt - drei gewaltige Fragen! Also, ich denke, da müssen wir etwas sortieren. Weil Du auf das Thema meines zweiten Briefes zurückkommst, ist es wohl am besten, wenn wir damit anfangen: Der Glaube an den Dreifaltigen Gott. Im nächsten Brief gehe ich dann auf Deine Fragen nach der Unanschaulichkeit des Firmritus und dem Wesen der Eucharistiefeier ein.

Also zuerst zu Deiner Frage: Wie kann man eine so unlogische Lehre als vernünftiger Mensch eigentlich glauben? Schauen wir doch mal, ob sie wirklich so unlogisch ist.

Natürlich: Wenn man auf der rechnerischen Ebene bleibt, kann drei nicht eins sein. Aber bei dem größten aller Glaubensgeheimnisse haben wir es eben nicht mit Rechenregeln zu tun, sondern mit dem Leben selbst. Und das Leben ist schon auf dieser Erde ziemlich unlogisch.

Da Du aber am liebsten naturwissenschaftliche Argumente hättest, will ich die Frage einmal so formulieren:

Welche Phänomene gibt es in dieser unserer Welt, die ebenso unvorstellbar sind wie das größte christliche Glaubensgeheimnis?

Doch muss ich eine Bemerkung vorausschicken.

Mit der Vorstellbarkeit ist das so eine Sache. Was ist das überhaupt für ein Maßstab?

Was ich mir nicht vorstellen kann, das kann auch nicht sein??

Kommt in dieser Haltung nicht eine maßlose Überschätzung des Menschen zum Ausdruck?

Wenn es Gott wirklich gibt, dann ist ER eben der Schöpfer und wir sind seine Geschöpfe. Der Prophet Jesaia hat das Verhältnis von Gott und Mensch in ein sehr anschauliches Gleichnis gebracht:

Weh dem, der mit seinem Schöpfer rechtet, er. eine Scherbe unter irdenen Scherben. Sagt denn der Ton zu dem Töpfer: Was machst du mit mir? und zu dem, der ihn verarbeitet: Du hast kein Geschick? (Jes 45,9)

Also zurück zur Ausgangsfrage:

Welche Phänomene gibt es in dieser unserer Welt, die ebenso unvorstellbar sind wie das Geheimnis des dreifaltigen Gottes?

  • Der Mensch hat mehr Neuronen (Nervenzellen) im Kopf als es Sonnen im Weltall gibt. Ist das vorstellbar?
  • Die Zahl Pi. Sie lautet bekanntlich 3,141592653589... Dabei sind am interessantesten die Pünktchen am Schluss. Sie bedeuten ja, dass die Stellen hinter dem Komma bis ins Unendliche weitergehen. Bis ins Unendliche! Ist das vorstellbar?
    Und in dieser Unzahl von Stellen kommt irgendwann einmal jede denkbare Zahlenfolge vor, also mit Sicherheit auch Dein und mein Geburtsdatum. Was ich ganz phantastisch finde, ist die Tatsache, dass die Mathematiker solche Zahlen (eine andere ist z.B. die Wurzel aus 2) „irrational“ nennen. Das heißt doch wörtlich übersetzt „mit der Vernunft nicht erfassbar“, und frei übersetzt, „unvorstellbar“.
  • Die schwarzen Löcher. Es heißt, sie seien so massereich, dass kein Licht entweichen kann. Ist das vorstellbar?
  • Und ich habe noch keinen Naturwissenschaftler gefunden, der mir sagen konnte, wo das Weltall endet. Bekannt ist die Theorie vom Urknall und dass der Kosmos sich immer noch ausdehnt, übrigens immer schneller. Aber wie groß ist das Weltall wirklich und wo ist seine Grenze? Und was ist hinter der Grenze?

Wie unvorstellbar die Entfernungen im Weltall sind, kann man sich übrigens an einem ganz einfachen Gedankenexperiment deutlich machen. Ein Lichtjahr ist bekanntlich keine Zeitangabe, sondern eine Entfernungsangabe: die Entfernung, für die das Licht mit seinen rund 300.000 km/s ein Jahr braucht. Worüber man normalerweise nicht nachdenkt, ist die Tatsache, dass das Licht der Fixsterne aus der Vergangenheit stammt. Wenn das Licht einer Sonne, die 1000 Lichtjahre entfernt ist, uns erreicht, hat es logischerweise den Stern vor 1000 Jahren verlassen. Was wir sehen, ist also der Zustand des Sterns vor 1000 Jahren, nicht den heutigen. Sollte es dort Bäume geben, sähen wir Bäume, die wohl längst vermodert sind.

Wenn wir nun in einem kurzen Augenblick auf einen Stern in 2000 Lichtjahren Entfernung gelangen könnten, würde uns das Licht der Erde erreichen, das die Erde vor 2000 Jahren verlassen hat. Und was würden wir sehen? Wir könnten die Hirten in Bethlehem sehen, wie sie gerade zum Stall oder richtiger zu der Felsenhöhle gehen, in der soeben Jesus geboren wurde.

Ein sehr netter und geduldiger Kollege mit dem Fach Physik hat einmal versucht, mir die Heisenbergsche Unschärferelation zu erklären. Was ich verstanden habe, ist: Seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist es Konsens unter den Physikern, dass man kleinste Elementarteilchen prinzipiell, d.h. nie, wird beobachten können. Warum?

Sehen kann man nur etwas, wenn man es dem Licht aussetzt. Licht ist aber Energie, und diese Energie wird auf das Teilchen gerichtet, dessen Geschwindigkeit ich z.B. berechnen möchte. Nun habe ich die Wahl zwischen Pest und Cholera: Ich könnte das Teilchen erwischen, wenn ich kurzwelliges Licht aussende. Das ist aber so energiereich, dass das Teilchen unter dem Beschuss seine Geschwindigkeit verändert. Also erfahre ich nicht, wie es sich verhält, wenn es durch mein Licht nicht belästigt wird.

Wenn ich die Intensität der Wellen reduziere, also mit langwelligem Licht arbeite, würde sich das Teilchen nicht belästigt fühlen, aber dann erwische ich es auch nicht. Ergebnis: No way to know.

So, nun habe ich mich in Rage geschrieben, deshalb füge ich noch ein Beispiel an, von dem ich unbescheidenenerweise mal wieder sagen kann, dass ich es selbst gefunden habe.

In jedem Frühling erleben wir das faszinierende Schauspiel, dass scheinbar tote Bäume sich mit grünen Blättern bedecken. Ich habe einmal in einer 9. Klasse im Frühling als freiwillige Hausaufgabe gegeben, die neu entstandenen Blätter nur eines einzigen Busches zu zählen, der im Garten oder am Wegesrand steht. Das haben tatsächlich einige Schüler gemacht. Ich weiß nicht mehr, auf welche Zahl sie gekommen sind, aber dann haben wir versucht auszurechnen, wie viele Blätter wohl zur Zeit in dem gesamten Garten entstanden sind, in der Straße, an dem die Familie wohnt, in der Stadt, in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt. Du kannst Dir vorstellen, dass wir die Rechnerei bald aufgegeben haben. Sobald es in die Potenzen geht, kann sich sowieso kein Mensch mehr etwas vorstellen. Aber das eine ist doch deutlich geworden, wie viel Unvorstellbares es schon vor unserer Haustür gibt.

Nun möchte ich aber auf den Aspekt zurückkommen, den ich zum Thema Heilige Dreifaltigkeit noch nachtragen wollte. Er zeigt uns, dass es in dieser Welt auch jenseits des wissenschaftlich Greifbaren eine Wirklichkeit gibt, die niemand leugnen kann.

Die Heilige Schrift sagt: Gott ist die Liebe. Diese Aussage ist uns so selbstverständlich geworden, dass wir ihren Gehalt gar nicht mehr erfassen. Aber was bedeutet sie wirklich? Liebe ist Beziehung, und Gott kann nur Liebe sein, wenn er Beziehung ist, Beziehung zwischen den drei göttlichen Personen in dem Einen Gott. Zwar bleibt das Wesen Gottes ein undurchdringliches Geheimnis Aber so viel hat uns der Sohn Gottes geoffenbart - dass Gott die vollkommene Beziehung ist.

An diesem Punkt sollten wir das neugierige Fragen einstellen. Aber die Wahrheit dieser Aussage kann man meines Erachtens aus der Erfahrung belegen. Denn der Schöpfer hat das Urprinzip der Liebe ja tief in seine Schöpfung eingesenkt.

Nimm die Weltliteratur, nimm die Filme - bis auf ganz wenige Ausnahmen drehen sie sich um die Liebe. Da gibt es tausend Variationen und Abstufungen, vom Großartigen bis zum Banalen, aber die Liebe ist immer im Spiel. Warum ist das so? Offenbar ist die Liebe ein durchgängiges Prinzip der Schöpfung. Sie wird tausendfach verletzt und erniedrigt, aber die Sehnsucht nach der wahren, erfüllten Liebe stirbt nie.

Und nun sagt die Heilige Schrift, dass diese Sehnsucht erfüllt werden wird, wenn der Mensch es nur will. Der Psalm 16 drückt es so aus:

Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis;
du lässt deinen Frommen das Grab nicht schauen.
Du zeigst mir den Pfad zum Leben.
Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle,
zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.

Das ist beim Glaubensgeheimnis der Dreieinigkeit das Entscheidende: Gott will den Menschen hineinnehmen in sein innergöttliches Leben. Eine atemberaubende Perspektive!

Nun habe ich ein Problem:

Du hast ja auch nach der Stelle im Glaubensbekenntnis gefragt: aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Und Du schreibst weiter: Wann war denn die Geburt Jesu aus dem Vater? Wann soll sie stattgefunden haben, wenn es keine Zeit gab, in der der Vater war, der Sohn jedoch nicht? Wie kann vor der Zeit überhaupt so etwas stattgefunden haben wie eine Geburt?

Wenn ich darauf antworte, wird dieser Brief noch länger. Andererseits brauche ich etwas Raum, um den Sachverhalt einigermaßen angemessen darzustellen. Deshalb tue ich das in einem Anhang. Wenn Du so viel Geduld hast, kannst Du ihn Dir ja anschauen, andernfalls lässt Du ihn unbeachtet.

Immerhin - so viel sei gesagt: Deine Frage hat haargenau in dieser Form bereits im 4. Jahrhundert zu heftigen Auseinandersetzungen geführt und zu einer jahrhundertelangen Kirchenspaltung geführt.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

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