War alles vergebens?
Lieber Onkel Peter,
entschuldige, wenn ich Dich noch mal belästige.
Die Firmung ist jetzt schon drei Wochen her, und der Alltag ist wieder eingekehrt.
Gestern kam mir plötzlich die Frage: Hat die Firmung bei mir eigentlich irgendetwas bewirkt? Ehrlich gesagt, ich kann keine Veränderung feststellen. Es ist alles so wenig fassbar, reine Glaubenssache.
Wenn Du jetzt denkst: Dann war also unser ganzer Briefwechsel umsonst, kann ich Dich gut verstehen. Denn die Sache mit der Unanschaulichkeit - das war ja schon die Ausgangsfrage im ersten Brief.
Wenn ich an die anderen aus dem Kurs denke - in der Sonntagsmesse sehe ich kaum einen von denen, außer den Messdienern. Kann sein, dass sie zu einer anderen Zeit gehen als ich. Aber ich habe den Verdacht, dass zumindest für einige die Firmung das Verabschiedungssakrament war.
Andererseits gibt mir zu denken, was ich gestern erlebt habe. Wir waren ausnahmsweise mal in der Stadtkirche zur Messe, denn mein Vater wollte nach der Messe kurz mit dem Pfarrer sprechen. Als wir so ziemlich als Letzte die Kirche verließen, stand an der Tür ein Bettler mit einem Plastikbecher. Er hatte getrunken, denn er hatte eindeutig eine Fahne.
In dem Plastikbecher waren zwei 50 Cent-Stücke. Mein Vater gibt gerne was bei Leuten, die irgendetwas tun, z.B. musizieren oder die Obdachlosenzeitung verkaufen. Betrunkenen gibt er ungern etwas, und so gingen wir vorbei. Da rief er uns nach: Und ihr, ihr seid auch nicht besser! Rennen in die Kirche, aber helfen tut einem keiner!
Diese Aussage war der Auslöser für meinen Brief. Denn es stellt sich ja wirklich die Frage: Sind Christen besser als andere? Bin ich etwa „besser“ als meine Gleichaltrigen? Ich habe inzwischen fast das ganze Markus-Evangelium durchgelesen, aber besser als die anderen bin ich dadurch mit Sicherheit nicht geworden. Also: Was hat die Firmung eigentlich bewirkt?
Entschuldige bitte, Du wirst sicher an mir verzweifeln, aber durch unseren Briefwechsel hat sich ein Vertrauensverhältnis gebildet, deshalb nimm meine Anfrage nicht als Enttäuschung, sondern als Kompliment.
Herzliche Grüße
Bernd