Satan - Der Gegenspieler des Hl. Geistes

Lieber Bernd,

die Frage nach dem personalen Bösen und der Hölle ist eine schwierige und sehr ernste Frage.

Du hast sie im Firmkurs gestellt und warst mit der Antwort der Katechetin nicht zufrieden. Nun, zunächst einmal muss ich der Kollegin Recht geben. Man sollte sich tatsächlich auf die positiven Seiten des Glaubens konzentrieren. Allerdings finde ich Deine Anfrage auch berechtigt, deshalb möchte ich sie nicht übergehen. Aber ich bekenne, dass ich eine gewisse Beklommenheit dabei empfinde.

Wie Du schon selbst bemerkt hast, hat dieses Thema zur Zeit in der Verkündigung (und in der Theologie) keine Konjunktur. Es gilt als ein Relikt aus der Zeit vor der Aufklärung, vielfach missbraucht zur Kindererziehung oder um die Macht der Kirche über die Gläubigen zu zementieren - Stichwort Höllenpredigten als Angstmache. Auch der unselige Hexenwahn hat damit zu tun.

Die Zurückhaltung der gegenwärtigen Theologie ist deshalb verständlich. Aber ich fürchte, es besteht die Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Allein die Tatsache, dass sich vermutlich nicht wenige Christen den Teufel als Kasperlefigur vorstellen, ist ein Warnsignal. Dafür ist das Thema nämlich viel zu ernst.

Übrigens klingt es schon ganz anders, wenn man statt vom Teufel vom Satan spricht.

Zuerst müssen wir fragen, was Jesus Christus uns zur Existenz des Satans sagt. Und da sehen wir, dass der Böse in seinem Handeln und in seiner Predigt einen Platz einnimmt, der sich schwer vereinbaren lässt mit der Behauptung, das Thema sei nebensächlich oder überholt. Dass es durchaus nicht nebensächlich ist, zeigt das Vaterunser, also das Gebet, das Jesus selbst uns gelehrt hat. Die letzte Bitte lautet bekanntlich: Erlöse uns von dem Bösen.(1)

Was die Frage der Personalität des Satans anbetrifft, so bezeugen Handeln und Lehre Jesu eindeutig, dass er von einem personalen Verständnis ausging.

Da sind zunächst die Exorzismen. Hier wird man mir allerdings entgegenhalten:

Aber Herr Kollege, die Besessenen waren doch in Wirklichkeit psychisch Kranke!

Ich will mich da nicht auf einen Streit einlassen. Die katholische Kirche behält jedenfalls bis heute die Exorzismen bei. Und heißt es nicht bei jeder Taufe: Ich widersage dem Satan?

In seiner Lehre hat Jesus den Satan den bösen Feind genannt (Mt 13,18), den Fürsten dieser Welt (z.B. Joh 12,31), den Vater der Lüge und Mörder von Anbeginn (Joh 8,44). Klingt ziemlich personal, oder?

Nun gibt es nur zwei Möglichkeiten:

Entweder war Jesus so sehr Kind seiner Zeit, dass er einem heute längst überwundenen Aberglauben aufsaß, oder er hatte Recht. Ich entscheide mich für die letztere. Aber das muss ich erklären.

Das Problem an der Sache ist: Wenn wir den Begriff Person verwenden, stellen wir uns unwillkürlich einen Menschen aus Fleisch und Blut vor. Genau das aber führt in die Irre.

Der große Theologe Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hat deshalb den Satan eine Un-Person genannt.(2) Ich halte das für eine geniale Formulierung. Denn eine Person kann lieben, aber genau das kann der Satan nicht. Er ist ein innerlich zerrissenes Wesen, real, aber ungreifbar, eine dem Menschen weit überlegene, destruktive Intelligenz, die nur eines kennt: Zersetzung und Zerstörung, und zwar mit den raffiniertesten Mitteln.

Ich möchte mit aller Vorsicht einen Vergleich wagen, der natürlich wie jeder Vergleich mächtig hinkt. Die schwer zu fassende, destruktive Macht des Bösen erinnert mich an ein Virus, das eine tödliche Krankheit verursacht. Dieses Virus ist für das bloße Auge unsichtbar, dafür aber höchst real und wirksam. Es scheint eine Art Individualität zu besitzen, oder, wenn das zu weit geht, eine unheimliche Intelligenz: Die Forscher spüren es auf, entwickeln ein Gegenmittel, und schon hat es sich verändert, übertrumpft den Menschen und setzt sein zerstörerisches Werk fort.

Der ungreifbar Böse ist so etwas wie eine geistige Luft, die man unwillkürlich einatmet, ein schleichendes Gift, das uns unmerklich verändert.

Ein solches Gift war z.B. die Ideologie der Nazis. Sie ergriff weite Kreise der Bevölkerung und Angehörige aller Gesellschaftsschichten. Und sie führte zu der grausamsten Katastrophe des 20. Jahrhunderts - zum Holokaust und zum 2. Weltkrieg. Und jetzt frage ich Dich: Wie kann es sein, dass dieses Gift bis heute fortwirkt - in der Neonazi-Szene?

Aber gehen wir einmal in unseren ganz normalen Alltag. Wie ist es mit der political correctness? Installiert sie nicht in uns einen inneren Zensor, der uns schließlich daran hindert, Überzeugungen zu vertreten, die früher selbstverständlich schienen - man möchte ja nicht geächtet werden. Immer häufiger gehören christliche Wertvorstellungen dazu. Die Schere zwischen ihnen und denen der Gesellschaft geht immer weiter auseinander.

Es gibt übrigens noch ein Thema, das in der gegenwärtigen Verkündigung ignoriert wird: das Thema Verführung und Versuchung.

Auch hier ist der Grund sicher in Übertreibungen einer verfehlten Moraltheologie vergangener Zeiten zu suchen. Doch scheint es mir an der Zeit zu sein, sich wieder bewusst zu machen, dass wir es hier mit einer Realität zu tun haben. Ich denke nicht an die süße Versuchung aus der Werbung für Schokolade oder in Filmtiteln, sondern wieder an das Vaterunser.

Offenbar hat Jesus das Thema für so wichtig gehalten, dass er es in das Grundgebet der Christenheit aufgenommen hat: Und führe uns nicht in Versuchung.

Was ist denn Verführung und Versuchung? Das dritte Kapitel der Bibel sagt es uns mit einem genialen Bild. Ich kann das hier nur ganz kurz andeuten:

Die Schlange sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen…sonst werdet ihr sterben. (Gen 3,1ff)

Der das geschrieben hat, war wirklich ein genialer Psychologe. Denn die Geschichte ist doch so konstruiert:

Als Gott den Menschen gesagt hatte: Davon dürft ihr nicht essen, hatten die Menschen das problemlos zur Kenntnis genommen. Sie vertrauten darauf, dass Gott schon seine Gründe haben würde, und dachten nicht weiter darüber nach.

Nun aber kommt die Schlange mit ihrer infamen Verdrehung: Wie, dürft ihr wirklich von keinem Baum des Gartens essen? Eva schaltet nicht und hält der Schlange die korrekte Form der Aussage Gottes entgegen. Doch kurz darauf hat das Gift gewirkt: Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen.

Und die letzten Bedenken werden von der Schlange mit einer dicken Lüge zerstreut: Ihr werdet nicht sterben, im Gegenteil, ihr werdet sein wie Gott!

So funktioniert das also: Man muss den Blick des Menschen nur auf das Verbotene richten und ihm anschließend klar machen, dass es nicht schadet, sondern äußerst begehrenswert ist, dann läuft die Sache von alleine.

Die wenigen Verse zu Anfang des dritten Kapitels der Genesis enthalten noch viel mehr Erkentnisse, aber dafür reicht hier der Platz nicht, denn mir brennt noch ein weiterer Aspekt auf den Nägeln:

Gibt es die Hölle? Gibt es eine ewige Verdammnis?

Ich gestehe, dass ich persönlich hier ein ganz großes Problem habe: Kann es denn sein, dass der Mensch in all seiner Bedingtheit durch Erziehung, Zeitumstände etc. in seinem kurzen Leben eine Entscheidung treffen soll, die unrevidierbar für die Ewigkeit gilt? Hat er überhaupt das Maß der Einsicht, wie grauenvoll es ist, von Gott für ewig getrennt zu sein?

Und doch hat Jesus Christus keinen Zweifel daran gelassen, dass es die Verdammnis gibt: Die fünf törichten Jungfrauen werden aus dem Hochzeitssaal ausgeschlossen (Mt 25,1ff).

Manche Theologen versuchen, das Grauen zu mindern, indem sie fragen: Wenn es eine Verdammnis gibt, wird der barmherzige Gott es zulassen, dass auch nur ein einziger Mensch verloren geht?

Mit letzter Gewissheit können wir nur das Eine sagen: Wer wirklich zu Gott will, den weist Gott nicht ab. Nicht Gott verdammt, sondern der Mensch verdammt sich selbst, indem er sich in vollem Bewusstsein gegen Gott entscheidet. Ist es aber denkbar, dass jemand das tut?

Der große Dichter Dante hat in der Göttlichen Komödie den neunten Kreis der Hölle als Eiswüste geschildert: Wo der letzte Rest der Liebe vergangen ist, da erstarrt alles.

Das führt uns zurück zu unserem Hauptthema:

Der Heilige Geist ist die persongewordene Liebe zwischen Vater und Sohn. Er ist das Prinzip der Liebe überhaupt. Wenn uns die Realität des Bösen in Schrecken versetzen will, dann können wir uns zum Heiligen Geist flüchten. Da ist Wärme statt Eiseskälte, Leben statt Erstarrung, da sind wir geborgen, denn er ist der Stärkere.

Ob das beigefügte Gebet Deinem Geschmack entspricht? Es wendet sich genau in diesem Anliegen an den Heiligen Geist.

 

Herzliche Grüße

Dein Onkel Peter

 

Anmerkungen

(1) Sprachlich interessant ist übrigens die Tatsache, dass es, ich glaube in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts, eine Reform der Übersetzung gegeben hat. Als Kind habe ich noch die alte Fassung gebetet: Erlöse uns von dem Übel. Übel war eindeutig ein Neutrum, etwas A-Personales. Jetzt heißt es: Erlöse uns von dem Bösen. Dabei bleibt offen, ob "das Böse" oder "der Böse" gemeint ist. Auf jeden Fall wird die neue Übersetzung dem Urtext besser gerecht, denn im Griechischen (übrigens auch im Lateinischen) ist die Form ebenfalls zweideutig: Sie kann masculinum, also personal, und neutrum sein. Und diese Zweideutigkeit meint ja auch der Begriff "Un-Person".

(2) Dogma und Verkündigung. Erich Wewel Verlag 1973, S. 233

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