Anhang 1:
Bericht über eine Heilung in Lourdes (1)
Es handelt sich um Frau Thea Angele aus Tettnang (Württemberg), geboren am 24. September 1921, Multiple Sklerose seit 1944, Heilung am 20. Mai 1950, Anerkennung am 28. Juni 1961.
Frau Angele kam am 17. Mai 1950 mit einem Pilgerzug nach Lourdes und wurde zum Krankenhaus Notre Dame gebracht. Kurz nach ihrer Ankunft rief die Stationsschwester den Kölner Röntgenologen Dr. H. Mödder ans Krankenbett. Sie war in großer Aufregung, weil Frau Angele offensichtlich im Sterben lag. Herr Dr. Mödder berichtet:
"Ich trat an das Krankenbett und war entsetzt über das Bild des Elends. Ich sah eine ausgemergelte, kachektische Kranke im Zustand der Bewußtlosigkeit. Mein erster Gedanke war: <Wie kann man einen Menschen in diesem trostlosen Zustand nach Lourdes transportieren.>
Ich versuchte nicht zu einer Diagnose zu kommen, sondern beobachtete nur noch Atmung und Kreislauf, die so schlecht waren, dass ich überzeugt war, es ablehnen zu müssen, hier noch etwas Ärztliches zu tun, etwa ein Analeptikum zu spritzen. Ich bestätigte der Nonne ihre Beobachtung <elle va mourir> und riet ihr, der Patientin die Heilige Ölung spenden zu lassen. Am nächsten Tag erkundigte ich mich bei Frl. Dr. Wimmer, die den Münchner Zug begleitete, was aus der Sterbenden geworden sei, und wollte ihr kaum glauben, dass Thea Angele noch lebte. Hätte ich nicht an den folgenden Tagen die Genesene gesehen, photographiert, gesprochen und zusammen mit den übrigen Ärzten im Ärztebüro untersucht, einem Bericht anderer über diese Heilung wäre ich zeitlebens mißtrauisch gewesen."
Die Heilung von Frau Angele erfolgte in mehreren Schritten. Sie wurde in den nächsten drei Tagen in den sogenannten Piszinen insgesamt viermal in das eiskalte Wasser der Quelle getaucht. Die begleitende Ärztin, Frau Dr. Wimmer, berichtet:
"Nach dem ersten Bad hatte ich den Eindruck, dass die Verzerrung der Gesichtszüge etwas ruhiger geworden war…Nach dem zweiten Bad war die Schlucklähmung verschwunden; die Kranke konnte Zitronen- und Orangenwasser trinken und behielt die Getränke bei sich.
Ein drittes Bad brachte bereits völlige Schmerzfreiheit, die dann auch anhielt.
Am Samstag, dem 20. Mai, bekam sie das vierte Bad. Den größten Eindruck machte auf mich der Vorgang, der sich nach dem Herausheben aus dem Bade abspielte:
Sie dreht lächelnd den bis dahin meist in verkrampfter Stellung gehaltenen Kopf mir zu, die Gesichtszüge waren entspannt und gehorchten wieder dem mimischen Gesichtsspiel. Dann öffnete sie den Mund, und ich hörte sie zum ersten Mal … sprechen: <Fräulein Doktor, jetzt kann ich wieder alles sagen. Und ich habe einen fürchterlichen Hunger.>
Ich riet ihr, nur kein Aufsehen zu machen, wenn wir das Bad verließen, was sie als ihren eigenen Wunsch lebhaft versprach. Dies war mir ein Zeichen, dass das Mädchen nicht Theater spielte und psychisch normal war…
Bei der Ankunft im Asyl wurde gerade das Mittagessen ausgeteilt. Thea erhielt erst Tee mit Zwieback. Da sie immer wieder beteuerte, sie habe einen schrecklichen Hunger, erhielt sie dann Fleischbrühe. Und trotz meines Widerstrebens genoß sie darauf noch Fleisch und Gemüse mit bestem Appetit und ohne jegliche Beschwerde. Zuletzt gaben wir ihr noch Obstsalat…"
Am Nachmittag nahm Frau Angele an der Sakramentsprozession teil. Danach sagte sie, sie könne den linken Arm bewegen. Nach dem Ende der Prozession wurde sie im Ärztebüro von sechs Ärzten untersucht. Frau Dr. Wimmer: "Während der Untersuchung bemerkte ich, daß sich auch die Lähmung der rechten Seite löste: von der Großzehe beginnend über Sprunggelenke, Kniegelenke, Hüftgelenk wurde unter den Augen des untersuchenden Arztes das rechte Bein beweglich, ebenso von peripher nach proximal der rechte Arm. Zuletzt stützte sich Thea auf ihre beiden Hände und setzte sich auf…
Die Heimfahrt überstand sie überraschend gut.
Ich besuchte Thea Angele im September 1950 dann zu Hause in Tettnang…Sie sprang vor meinen Augen auf das Fahrrad und aß jede Speise, die ihr vorgesetzt wurde. Sie machte den Eindruck eines frischern, natürlichen Menschen, der nichts aus sich macht."
Quelle
(1) Dr. Alphoriso Olivieri, Präsident des Ärztebüros von Lourdes, Gibt es noch Wunder in Lourdes?, Pattloch-Verlag 1973, S. 189 ff