Antwort des Onkels

Lieber Bernd,

wie schön, noch einmal von Dir zu hören! Wenn auch das feedback etwas ernüchternd ist.

Aber ich finde es imponierend, dass Du so ehrlich und selbstkritisch bist!

Im Grunde hast Du ja zwei Fragen gestellt:

  • Sind Christen besser als andere?
  • Hat sich durch die Firmung etwas verändert?

Die erste Frage ist relativ schnell beantwortet:
„besser“ ist eine moralische Kategorie. Der Unterschied zwischen (gläubigen) Christen und Nichtchristen liegt aber nicht auf der moralischen Ebene. Eine nichtgläubige Krankenschwester kann Kranke genau so liebevoll pflegen wie eine gläubige.

Der Unterschied liegt auf der existentiellen Ebene:

  • Gläubige Menschen haben eine andere Motivation: Der Abstieg Gottes zu den Menschen und sein Dienst an den Menschen (Fußwaschung!) veranlassen uns, ein Gleiches zu tun. Nur so erklärt sich die Zuwendung von Christen aller Zeiten zu den Ärmsten der Armen.
  • Gläubige Christen sind nur in einer Hinsicht besser: Sie sind sich ihrer Defizite besser bewusst - theologisch gesprochen: ihrer Erlösungsbedürftigkeit.
  • Gläubige Christen sind empfangende Menschen. Da sie ihr Leben als Geschenk sehen, ist ihre Grundhaltung Dankbarkeit.
  • Gläubige Christen haben eine größere Hoffnung - über den Tod hinaus.

Diese Grundhaltungen haben Konsequenzen für das Verhalten. Z.B. sagte mir eine Krankenschwester: Es gibt Schwerkranke und Sterbende, denen es viel bedeutet, wenn jemand mit ihnen ein Vaterunser betet. In solchen Augenblicken bedauere ich, dass ich nicht gläubig bin!

Und nun zu Deiner zweiten Frage:

Hat sich durch die Firmung etwas verändert?

Ich habe da gerade eine Geschichte gelesen, die ausgezeichnet zu Deinem Problem passt.

Du hast vielleicht schon einmal den Namen des berühmten französischen Malers Paul Cézanne gehört. Er lebte von 1839 bis 1906 an verschiedenen Orten, kam aber immer wieder in seine Heimatstadt Aix-en-Provence zurück. Doch in der Stadt erkannte man sein Genie nicht. Die blamable Folge bis heute ist, dass das städtische Museum von Aix kein einziges Bild von ihm besitzt, jedenfalls zu meiner Studienzeit war das so; seine Bilder sind in den bedeutendsten Museen der Welt verstreut.

Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass die Stadtväter sein Atelier sorgfältig bewahrt und in den Urzustand zurückversetzt haben. Z.B. hat man einige seiner Still-Leben real aufgebaut, das Obst muss natürlich regelmäßig ersetzt werden, damit es nicht unansehnlich wird.

Der Besuch dieses Ateliers gehört zu den lebhaftesten Erinnerungen aus meiner Studienzeit in Aix, weil man dort dem Menschen Cézanne sehr nahe kommt. Er hat aufs Ganze gesehen ein ziemlich elendes Leben gehabt, von der offiziellen Kunstwelt erntete er nur Unverständnis und Spott, die Kritiker waren blind für die Neuartigkeit seiner Kunst, und jetzt merkst Du vielleicht schon, worauf ich hinaus will. Also:

Eines Tages traf Cézanne einen Kollegen, der ihn fragte, wohin er wolle. Cézanne hatte ein Bild unter dem Arm. „Ich habe keinen Cent mehr“ antwortete Cézanne, „und suche jemanden, der bereit ist, mein Bild zu kaufen. Bis jetzt haben zehn Kunsthändler abgelehnt und gesagt, es sei nichts wert.“

Ein paar Stunden später traf der Kollege Cézanne wieder, dieses Mal ohne Bild. „Hast du es verkaufen können? Und wie viel hast du bekommen?“ fragte er in der Hoffnung, sich Geld leihen zu können. „Nein“ antwortete Cézanne traurig, „Keiner wollte es haben. Und da ich die Bettelei leid war, habe ich es einem Bekannten geschenkt,.“

Es handelte sich um das berühmte Bild „Die Badenden“, ein hochkarätiges Kunstwerk, das heute mehrere Millionen wert ist. (1)

Was hat nun die Geschichte mit Deiner Frage zu tun? Sehr viel: Die offizielle Kunstwelt war blind für Cézannes Genie. Den ungeheuren Wert seiner Bilder erkannten die Kritiker nicht.

Und wir sind blind für die Wirkungen des Heiligen Geistes. Wir erkennen den Wert der Firmung nicht.

Und noch etwas: Trotz des Unverständnisses und der Ausgrenzung durch die offizielle Kunstwelt ließ Cézanne sich nicht beirren. Mit nicht nachlassender Energie verfolgte er seinen Weg bis zur späten Anerkennung. Diese Ausdauer und Unbeirrbarkeit brauchen wir auch in der Nachfolge Christi!

Noch einen Schritt weiter führt uns eine mindestens genau so phantastische Geschichte im Evangelium. Ich gebe sie hier stark verkürzt wieder. Die Situation:

Jesus kommt auf dem Weg von Jerusalem nach Galiläa in die Stadt Sychar in Samaria. Er ist müde von der Reise, und während seine Jünger in die Stadt gehen, setzt er sich an einen Brunnen, der nach Jakob, dem Sohn Isaaks, benannt war und bis heute Wasser spendet. Wir haben diesen Brunnen besucht, es war ein bewegender Augenblick im Gedanken an das Gespräch, das Jesus dort mit einer samaritischen Frau geführt hat. Denn als diese zum Brunnen kam, um Wasser zu schöpfen, bat Jesus sie, ihm etwas von dem Wasser zu geben. Wenn man weiß, dass die Juden die Samariter als Ungläubige ablehnten, versteht man, warum die Frau Jesus erstaunt fragte:

Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken! dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben… Da sagte die Frau: Herr, gib mir dieses Wasser!… Er sagte: Geh, ruf deinen Mann und komm wieder her! Die Frau antwortete: Ich habe keinen Mann. Jesus sagte zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann. Denn fünf Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist… Ich weiß, dass der Messias kommt. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden. Da sagte Jesus zu ihr: Ich bin es, ich, der zu dir spricht.

Daraufhin lässt die Frau ihren Wasserkrug stehen und eilt in den Ort. Sie sagt zu den Samaritern: Ich habe vielleicht den Messias gefunden! Denn so ganz sicher ist sie sich noch nicht. Doch die Samariter folgen ihr, erleben Jesus selbst und werden gläubig.

Was ist nun an diesem Gespräch so phantastisch?

In einem einzigen Satz verlässt Jesus die natürlich Ebene (Wasser aus dem Brunnen) und hebt das Gespräch auf eine höhere (Wasser des Lebens).

Das Wasser des Brunnens sieht man, das Wasser des Lebens sieht man nicht.

Und jetzt kommt das Entscheidende: Die Frau glaubt Jesus, dass es dieses Wasser gibt und dass Jesus es spendet. Zwar hat sie noch nicht wirklich verstanden, was Jesus mit diesem Wasser meint, sie hat wohl eher die Vorstellung von einer Art Zauberwasser. Aber die Tatsache, dass Jesus ihr ganzes unglückliches Leben kennt, ohne es zu verurteilen, beflügelt sie. Und sie begreift intuitiv, dass diesen Fremden ein Geheimnis umgibt.

Was hat die Samariterin aber nun mit Deiner und meiner Firmung zu tun?

  • Jesus Christus kennt Dich und mich bis auf den Grund. Er kennt unser Bemühen, aber er kennt auch unser Versagen.
  • Dennoch verurteilt er nicht, im Gegenteil: Er möchte Dir und mir das Wasser des Lebens reichen.
  • Dieses Wasser des Lebens ist aber nicht sichtbar, fühlbar, spürbar.
  • Und doch möchte Jesus Christus, dass wir zu glauben beginnen wie die Samariterin.

Und daraus ergibt sich eine knallharte Schlussfolgerung:

Jesus von Nazareth, der dieses unsichtbare Wasser des Lebens verspricht, ist entweder ein Betrüger oder er verfügt wirklich über dieses Wasser. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Also: Glauben wir ihm?

Und nun sei mal ehrlich! Es stimmt ja gar nicht, dass sich bei Dir nichts verändert hat.

Du schreibst, dass Du das Markus-Evangelium inzwischen fast ganz durchgelesen hast. Du hast also die Schriftlesung beibehalten, das ist doch eine echte Leistung und wird Dich mit der Zeit immer vertrauter mit dem Wort Gottes machen.

Wenn Du mit dem Markusevangelium durch bist, würde ich Dir raten, die Lektüre des Lukas-evangeliums anzuschließen. Es betont besonders die Barmherzigkeit Jesu mit den Sündern, Armen und Diskriminierten. Vielleicht hat die Kirche es deshalb ausgewählt als Eiserne Ration für die Soldaten im 2. Weltkrieg. Ich besitze noch ein kleines unscheinbares Heftchen, das ausschließlich den Text dieses Evangeliums enthält, mein Vater hatte es als Soldat immer bei sich - ein kostbares Andenken!

In der Sonntagsmesse wird Dich die Epiklese daran erinnern, dass in der Wandlung durch das Wirken des Heiligen Geistes jedes Mal ein großes Wunder geschieht: Gott wird Brot für uns.

Vielleicht hast Du Dir auch angewöhnt, hier und da ein Stoßgebet zu beten. Wenn nicht - es ist nie zu spät dazu!

Du hast mit Deinem Freund Achmed über Fragen des Glaubens gesprochen und auf diese Weise Deine eigene Religion und den Islam besser kennen gelernt.

Und hat nicht vielleicht auch Deine Beziehung zu Marion durch Eure engagierten Gespräche eine neue Qualität gewonnen?

Und ein Krankenhaus, das den Namen des Heiligen Geistes trägt, wird Dich in Zukunft daran erinnern, dass Gott die Liebe ist.

Und hoffentlich wirst Du in Zukunft das Schimpfwort: „Ach hör doch auf, du bist ja behindert!“ nicht mehr verwenden. Es wäre übrigens ein Glaubenszeugnis, auch andere darauf aufmerksam zu machen, wie menschlich miese dieses Schimpfwort ist.

Und noch etwas: Wenn Du schreibst, Du könntest beim besten Willen kein besonderes Charisma bei Dir entdecken - ich glaube eines zu kennen: Deine Neugier in den Fragen des Glaubens. Das ist ein Schatz für Dich und Deine Gesprächspartner. Nichts ist schlimmer als Gleichgültigkeit. Nichts ist lebendiger als kritisches Nachfragen. Aber bete auch immer zum Heiligen Geist, dass Dein Fragen konstruktiv bleibt, und bitte ihn um eine Antwort. Er ist von allen Beratern eindeutig der kompetenteste.

 

Also: Bewahre Dir Deine kritische Haltung, aber hab Geduld mit Dir!

Dein Onkel Peter

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